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Für einen cleveren Umgang mit der Motivation von Einzelpersonen und Teams

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Ein beinahe uralter Trick aus dem systemischen Denken ist die Unterteilung einer Sache in verschiedene Bausteine, um genauer zu wissen, wo die Probleme wirklich liegen und entsprechend anzupacken. Eines dieser Probleme ist der Wille etwas zu tun, dem sich der Psychotherapeut Roberto Assagioli in den 1970er Jahren annahm. Assagioli war der Begründer der Psychosynthese, einer Therapierichtung, die heutzutage kaum noch jemand kennt, jedoch vieles vorweg nahm, was später durch neurobiologische Verfahren bestätigt wurde. Übertragen wir den Willen in unsere Zeit, erscheint der Begriff der Motivation allerdings passender und neutraler.

7+1 Bausteine des Willens

Assagioli unterschied 7 Bausteine des Willens. Auf den ersten Blick scheinen manche dieser Bausteine in die gleiche Kategorie zu gehören. Ausdauer und Disziplin zum Beispiel oder Mut und Entscheidungsfreude. Nach näherer Betrachtung ist es jedoch sinnvoll, bei diesen 7 Bausteinen zu bleiben. Auch wenn diese verschiedenen Blickwinkel auf unsere Motivation nicht getrennt voneinander funktionieren. Habe ich Mut, ist auch mein Energielevel höher. Kann ich mich schlecht von etwas Nicht-Gewähltem trennen, leidet vermutlich auch meine Konzentrationsfähigkeit:

  1. Überblick: Der Überblick über die eigenen Aufgaben und Möglichkeiten ist essentiell, um zu planen, organisieren, Prioritäten zu setzen und später Erfülltes wieder im Gesamtkontext zu sehen und zu integrieren. Der Überblick ist daher zu Beginn und am Ende wichtig.
  2. Mut und Initiative: Ab und an werden wir mit Möglichkeiten und Tätigkeiten konfrontiert, die komplett neu sind. Wir wissen nicht, was dabei herauskommt und ob es Schwierigkeiten geben wird. Wir bewegen uns ins Offene.
  3. Entscheidungsfreude: Bei der Entscheidungsfreude geht es weniger um etwas komplett Neues – obwohl das auch ein Aspekt sein kann – sondern um die Entscheidung zwischen zwei oder mehr Optionen. Wir sollten uns daher von den nicht gewählten Optionen ohne Groll trennen können, im Bewusstsein, dass wir im Leben nicht alles haben können.
  4. Energie: Jeder Mensch geht zwar mit einer persönlichen Grundenergie durch das Leben. Diese kann jedoch durch ein spannendes Projekt nach oben steigen. Ist die persönliche Energie sehr niedrig, kann dies durch eine große Ausdauer ausgeglichen werden. Ich kann ein Buch in 3 Monaten oder in 3 Jahren schreiben. Manchmal ist es auch gut, sich Zeit zu lassen und seine Energie einzuteilen.
  5. Konzentration und Fokussierung: Nach dem Überblick, dem Wagnis, ein neues Projekt anzugehen und der Entscheidung für und gegen etwas sollten wir uns ganz und gar auf das Angestrebte konzentrieren.
  6. Ausdauer: Manche Projekte lassen sich mit viel Energie schnell durchziehen. Andere brauchen einen langen Atem und die Beharrlichkeit, dran zu bleiben und sich nicht abbringen zu lassen. Schwierige Gespräche beispielsweise lassen sich langfristig effektiver mit Beharrlichkeit als mit dem Holzhammer durchführen.
  7. Disziplin: Während sich Ausdauer eher auf die Zeit an sich bezieht, strebt die Disziplin die Erhöhung der Qualität einer Tätigkeit an, indem sie die eigene Impulsivität beherrscht. Dies lässt sich gut an Sportarten verdeutlichen: Für manche Sportarten, bspw. einen Marathon, brauche ich mehr Ausdauer als Disziplin. Es ist nicht wichtig, ob ich schön laufe, sondern lediglich mit einer guten Zeit ins Ziel zu kommen. In anderen Sportarten, bspw. Fußball oder Turnen, brauche ich zusätzlich Disziplin. Beim Fußball kommt es darauf an, eine Ecke wieder und wieder zu üben, bis sie perfekt auf einem freundlichen Kopf landet. Und beim Turnen bekomme ich Punkte für perfekte, elegante Bewegungen. Ich muss also lernen, etwas nicht irgendwie, sondern auf eine bestimmte Weise zu tun.

Mir persönlich fehlt bei den Bausteinen ein weiterer Punkt:

8. Durchsetzung: Wie gehe ich mit Widerständen um? Wie verteidige ich meine Entscheidung gegen andere?

Motivation als Thema von Mitarbeitergesprächen

Aus psychologischer Sicht haben wir mit diesen 8 Aspekten der eigenen Motivation eine großartige Möglichkeit, zu untersuchen, woran es liegt, dass Mitarbeiter*innen motiviert sind oder nicht:

  1. Hast du einen Überblick über deine Tätigkeiten und weißt, welche Möglichkeiten du zum Handeln hast?
  2. Wie leicht fällt es dir auf einer Skala von 1-10, etwas Neues auszuprobieren? Wobei ab 11 der Übermut beginnt.
  3. Wie leicht / schwer fällt es dir, dich von dem Nicht-Gewählten zu trennen?
  4. Wie hoch ist dein Energielevel bei diesem Thema auf einer Skala von 1-10?
  5. Wie leicht / schwer fällt es dir, für eine bestimmte Zeit alles andere auszublenden und dich voll und ganz auf dein Thema zu konzentrieren?
  6. Wie leicht / schwer fällt es dir, solange an der Aufgabe dran zu bleiben, bis sie erledigt ist, insbesondere wenn es länger dauert. Denkst du, die Aufgabe ist eher eine Kurz- oder Langstrecke?
  7. Glaubst du, die Aufgabe erfordert es, sich in Feinheiten einzuarbeiten oder geht es eher darum, sie zackig umzusetzen? Hast du Lust darauf, die Tätigkeit so lange zu verfeinern, bis sie perfekt ist, wenn es sinnvoll erscheint?
  8. Wie leicht / schwer fällt es dir, dich gegen äußere Widerstände argumentativ durchzusetzen?

Auf der Teamebene

Auch auf der Teamebene bieten diese 8 Aspekte der Motivation gute Ansätze zur Diskussion und Aufgabenverteilung:

  • Haben wir alle einen umfassenden Überblick über das Anstehende?
  • Welche (Teil-)Aufgaben erfordern einen gewissen Mut und wem fällt es leicht, sich darauf einzulassen?
  • Wogegen entscheiden wir uns und wie schwer fällt uns das?
  • Wie hoch ist unser Energielevel bei dem anstehenden Projekt?
  • Welche (Teil-)Aufgaben könnten länger dauern und wer bringt die entsprechende Ausdauer mit?
  • Welche (Teil-)Aufgaben müssen kurz und knackig erledigt werden und wer fühlt sich dafür geeignet?
  • Welche (Teil-)Aufgaben erfordern eine gewisse Lust an Perfektion und wer bringt die entsprechende Disziplin dazu mit?
  • Welche (Teil-)Aufgaben erfordern lediglich eine Erledigung ohne Schnörkel und wer fühlt sich dazu berufen?
  • Müssen wir unsere Entscheidungen nach außen rechtfertigen? Wenn ja, was brauchen wir dafür und wie leicht wird uns das fallen?

Wir sehen also, dass v.a. die Aspekte der Initiative, Energie, Ausdauer und Disziplin individuelle Kompetenzen erfordern, während der Überblick, die Konzentration, Entscheidungs-freude und Durchsetzung eher Gesamt-Team-Themen sind.

Auf Team-Ebene lässt sich zudem elegant mit einer Motivations-Canvas arbeiten:

Literatur:

Roberto Assagioli – Die Schulung des Willens

Warum wir zwingend ein positive Sicht auf die Welt brauchen

Wer sich derzeit in der Welt umsieht, scheint beinahe nur noch mit Negativem konfrontiert zu sein. Europa bereitet sich auf einen Handelskrieg mit den USA vor und gleichzeitig auf die Gefahr, die seit den Hunnen aus dem Osten zu kommen scheint (Literaturempfehlung über Ur-Ängste und Konflikte: Ralf Langejürgen – Entfasziniert euch!). Die Belastung in deutschen Organisationen erreicht beinahe wöchentlich neue Hochstände. Aber lassen wir das. Sie kennen die Hiobsbotschaften.

Intuition als Überlebensfaktor

Unsere Wahrnehmung hat einen guten Draht zu unserem Bauchgefühl. Das wiederum sagt: Es ist schlimm und wird eher noch schlimmer. Und der Austausch mit anderen macht es meist noch schlimmer, weil unser Gehirn lieber nach Bestätigung sucht als nach Korrektur.

Aus Urzeiten wissen wir: Wer im Wald einem potentiell gefährlichen Tier begegnet, denkt nicht lange nach, um zu überleben. Mit weitreichenden Konsequenzen:

  • Wer regelmäßig wilde Tiere kontaktet, weiß (intuitiv) was zu tun ist.
  • Wer zum ersten Mal in seinem Leben eine solche Erfahrung macht, verfügt über keine adequate Lösung.

Ein Mensch ohne Erfahrung spielt folglich Roulette mit einer 1 zu 4-Chance (totstellen, wegrennen, angreifen oder ruhig auf den potentiellen Angreifer einreden). Als Mediator würde ich vermutlich intuitiv auf meine sanfte Mediatoren-Stimme umstellen und hoffen, dass die autditiv-hypnotischen Schwingungen auch bei Nicht-menschlichen Organismen funktionieren. Alles andere läge mir sowieso fern. Aber ob es funktioniert? Keine Ahnung.

Intuition als schnelles Analyse-Tool

Genauso geht es uns allen in Situationen, die wir nicht kennen. Wir sollten schnell handeln, wissen jedoch nicht wie. In solchen Situationen kann unsere Intuition als schnelles Analysetool hilfreich sein. Ein Garant für ein erfolgreiches Handeln ist sie jedoch nicht. Ein Beispiel: Sie sprechen mit einem Mitarbeiter, der Sie vermeintlich „angreift“. Ihre Inttuition flüstert Ihnen folgende Assoziationen ein:

  • eher ein Fuchs als ein Bär oder Wolf
  • er könnte mich hintergehen
  • bloß nicht den Rücken zukehren
  • nicht zu viele Freiräume lassen
  • usw.

Sie können solche intuitiven Übungen freilich mit verschiedenen Tieren durchspielen. In meinen Seminaren tauchen ab und an Aale (glitschig, gleitet einem durch die Hände), Elefanten (schwer zu etwas zu bewegen) oder Platzhirsche (der verteidigt vehement sein Revier) auf. Aber auch andere intuitive Metaphern wie „mein Kindergarten“ oder „Hühnerhaufen“ sind sehr beliebt. Vermutlich entstand aus einem solchen intuitiven Impuls die Idee von Eric Berne, kommunikative Dynamiken in der Transaktionsanalyse zwischen Eltern und Kindern zu untersuchen.

So wertvoll solche intuitiven Analysen sein können, bringen sie doch drei Probleme mit sich:

  1. Mangelnde erfahrungsbasierte Intuition: Wir kennen uns häufig nicht mit solchen Ausnahmesituationen aus, da Führungskräfte eben nur einen Aal, einen Wolf und einen Elefanten im Team haben und kein Dutzend davon. Deshalb ist unsere erfahrungsbasierte Intuition in Ausnahmesituationen überfordert und greift v.a. auf einfache Strategien wie Angriff, Verteidigung oder Aussitzen zurück.
  2. Tendenz zum Negativen: Sie betonen das Negative stärker als das Positive, weil der Mensch in Belastungs- und Bedrohungs-Situationen auf Überleben gepolt ist. Aus der möglicherweise bedrohlichen Ausgangssituation entsteht logischerweise nur eine negative Möglichkeit, damit umzugehen. So erfolgt aus der Analyse, einem Aal gegenüber zu stehen, logischerweise, diesen in einem kleinen Becken zu halten und irgendwie „dingfest“ zu machen. Produktiv sieht anders aus.
  3. Wirklichkeitskonstruktion: Intuitive Analysen sind häufig nicht wertschätzend und daher nicht für einen Austausch mit der betreffenden Person geeignet. Wer mag schon von seiner Führungskraft als Kindergarten oder Wolf bezeichnet werden. Sollte Sie dennoch kommunikativ mit solchen schnellen Analyse arbeiten, können sogar Wirklichkeiten festgeschrieben werden, die zuvor noch gar nicht bestanden. Plötzlich verhält sich der Elefant tatsächlich wie ein Elefant.

Auf Milton Erickson geht der Satz „energie flows, where concentration goes“ zurück. So kann es sein, dass sogar ein Zu-spät-Kommen zu Teamsitzungen umso häufiger wird, je mehr Aufmerksamkeit Sie diesem Phänomen widmen.

Dieses Phänomen lässt sich auch gesamtgesellschaftlich beobachten:

  • Es kann sein, dass Russland Europa eines Tages angreift. Ob die beinahe schon obsessive Beschäftigung mit Krieg in den Medien dies verhindert, wage ich jedoch zu bezweifeln. Doch so wie der Konflikt- ist offensichtlich auch der Kriegs-Hund sehr hungrig und will gefüttert werden. Der Versöhnungs- und Friedens-Hund scheint dahingegen ein eher bescheidener Genosse zu sein.
  • Es kann sein, dass manche Vetreter*innen der jungen Generation nicht mehr so viel arbeiten wollen wie die Generationen zuvor. Es kann aber auch sein, dass sie noch auf der Suche nach einem guten, eigenen Weg durch den Dschungel sind zwischen einem erfüllenden Job und nach Corona endlich das Leben genießen.

Kurzum: Aufgeregt haben wir uns schnell, weil irgendeine Stimme uns ein schnelles Urteil einflüsterte. Aber ob diese Stimme recht hat?

Intuition als Möglichkeitssinn

Von Robert Musil (Der Mann ohne Eigenschaften) stammt der schöne Begriff des Möglichkeitssinns. Eines Sinns, der in die Zukunft weist, der fantasiert und hofft und damit positiver denkt als unsere Analyse-Intuition. Der Fokus einer solchen Möglichkeits-Intuition sollte jedoch von unserem Gegenüber weg- und zu uns selbst hingehen. Sie nehmen dann den Elefanten, Fuchs oder Kindergarten zwar wahr. Diesen können Sie jedoch ohnehin nicht verändern. Verändern können Sie nur sich selbst. Dazu brauchen Sie jedoch das Gegenstück Ihres Gegenübers. Wer also sind Sie, wenn Ihr Gegenüber ein Elefant, Fuchs oder Kleinkind ist? Ein*e Dompteur*in, Waldhüter*in oder Kindergärtner*in? Oder sehen Sie sich als etwas anderes? Vielleicht ja als Chef*in eines Rudels, als Gefährt*in oder als Anleiter*in für kleine Kindergarten-Wissenschaftler*innen? Und wie können Sie aus dieser intuitiven Figur heraus die Realität positiv beeinflussen?

Eine Anleitung zur intuitiven Veränderung der Wirklichkeit

Aufbauend auf diesen Gedanken lassen sich vier bzw. fünf Schritte zur Veränderung der Wirklichkeit festschreiben:

  1. Intuitive Analyse Ihres Gegenübers: Beispiele: Mein Gegenüber ist wie ein lauernder Wolf, der mich bedroht. Oder: Mein Gegenüber ist wie ein Aal, der mir durch die Finger gleitet. Oder: Mein Gegenüber ist wie ein Maulwurf, der sich in Winderseile versteckt, wenn ich komme. Welches Bild fällt Ihnen von Ihrem Gegenüber spontan ein?
  2. Intuitive Selbstreflexion IhrerErst-Reaktion: Ich passe schlimmstenfalls in sein Beuteschema. Angriff oder Verteidigung! Oder: Der Aal darf nicht zu viele Spielräume haben (kleines Becken), um ihm habhaft zu werden. Oder: Ich muss den Maulwurf los werden, bevor mein Garten ruiniert ist. Wie reagieren Sie intuitiv?
  3. Entscheidung für eine wunsch-intuitive eigene Wirklichkeit: Ich weigere mich, Beuteschema zu sein oder Aalzüchter*in oder Gärtner*in und entscheide mich für einen anderen Gegenpart, bspw. als Gefährt*in, um dem Wolf respektvoll auf Augenhöhe zu begegnen und die jeweiligen Kompetenzen zu ergänzen, in diesem Fall Cleverness und Weitblick. Oder ich akzeptiere den Maulwurf als Eigenbrötler und versuche ihn ab und an (Nachts, wenn alle anderen weg sind?), aus seinem Bau zu locken. Oder ich vertraue darauf, dass der Aal einen eigenen Kompass hat. Wer könnten oder wollen Sie sein, um eine neue Wirklichkeit herzustellen?
  4. Möglichkeitenin gewünschte Bahnen lenken: Ich übersetze meine Wunsch-Intuition in realistische Sprache und bahne damit eine neue Wirklichkeit: „Ich habe das Gefühl, wir könnten uns gut ergänzen. Du bist clever (wie ein Fuchs) und ich habe den Überblick über die kommenden Projekte. Bist du dabei?“ Oder: „Wann wäre eine gute Zeit, sich in Ruhe über Ergebnisse auszutauschen?“ Oder: „Mich würde interessieren, wie dein innerer Kompass aussieht“. Was könnten Sie Ihrem Gegenüber konkret sagen, um eine neue, kooperative Begegnung zu ermöglichen?
  5. Intuitive Wunschvision des Gegenübers fördern: In Coachings oder intensiven, vertrauensvollen Mitarbeitergesprächen bietet es sich zudem an, die intuitive Wunschvision des Gegenübers bspw. mit inneren Bildern oder Bildkarten zu fördern. Dies sollte jedoch losgelöst vom eigenen Bild des Fuchses, Elefanten, etc. stattfinden, um neurobiologische Vorbahnungen zu verhindern. Das Züricher Ressourcenmodell (ZRM) greift dabei auf Bildkarten zu Bergbesteigungen (anstrengend, aber lohnend), Flugzeugen (hoch hinaus), Krieger (ungeahnte Kräfte), Löwen (Stärke), bemalte Gesichter (Vielfalt), helfende Hände (Unterstützung), Apfelbäume (Ernte) oder Jogger (Ausdauer) zurück, um unbewusste Ziele ans Licht zu bringen.

Mit diesem Schema kommen Sie von einer ersten intuitiv-negativen auf eine zweite, produktivere und mit Sicherheit realistischere Sicht auf die Welt oder Ihr Gegenüber.

Literatur: Bernd Schmid – Intuition und Professionalität

Wie Teammitglieder Verantwortung übernehmen

Ein großes Thema in meinen Seminaren betrifft regelmäßig die mangelnde Verantwortungsübernahme idR. einzelner Mitarbeiter*innen oder im Falle größerer Veränderungen ganzer Teams. Die üblichen Versuche, Aufgaben zu delegieren oder auf einer moralischen Ebene zu argumentieren („Wir sitzen alle in einem Boot“ oder „Es ist unfair, wenn …“) laufen jedoch oftmals ins Leere. Es folgen Verschleppungen von Aufgaben, ein Aussitzen nach dem Vogel-Strauß-Prinzip oder sogar offener Widerstand.

In all diesen Fällen ist es hilfreich, mit Einzelpersonen oder dem gesamten Team über die 4 Problembewusstseinsstufen nach Jacqui Lee Schiff zu diskutieren, die ich um eine 5. Stufe der Verantwortungsübernahme in der Praxis erweitere. Hier aus Sicht des gesamten Teams:

Stufe 1: Existenz des Problems Ist uns allen bewusst, dass es überhaupt ein Problem gibt? Worin besteht das Problem? Für wen ist es ein Problem?

Stufe 2: Bewertung des Problems Was passiert, wenn das Problem nicht gelöst wird? Wer leidet dann am meisten – kurzfristig und langfristig?

Stufe 3: Lösbarkeit des Problems Konnten wir bereits ähnliche Probleme lösen? Wenn ja, wie? Ist es überhaupt denkbar, dass dieses Problem gelöst oder zumindest ansatzweise verändert wird?

Stufe 4: Selbstwirksamkeit Was können wir selbst tun, um das Problem – wenn auch nur ansatzweise – zu lösen? Wen oder was brauchen wir dafür? Wenn sich das Problem nicht lösen lässt: Wie sollen wir damit umgehen?

Stufe 5: Verantwortungsübernahme Wenn wir rein theoretisch in der Lage sind, Problemlösungen anzugehen: Was könnte uns praktisch daran hindern, tätig zu werden? Was brauchen wir, um tätig werden zu wollen? Welche Bedenken gilt es auszuräumen?

Es kann also durchaus passieren, dass Sie als Führungskraft eine Aufgabe in dem Bewusstsein delegieren, dass allen Mitarbeiter*innen klar ist, dass ein Problem eine hohe Relevanz hat und auch von ihnen lösbar ist. Ihre Leuten befinden sich jedoch noch nicht einmal auf Stufe zwei. Sie haben zwar erkannt, dass das Problem für irgend jemanden besteht, nicht jedoch dass es auch langfristige negative Konsequenzen für sie selbst haben kann, wenn das Problem nicht angegangen wird. Diskutieren Sie in einem solchen Fall über Lösungen, läuft das Gespräch ins Leere: „Warum soll ich mich mit etwas beschäftigen, das für mich nicht relevant ist?“

Ebenso ist es bei der Einführung neuer digitaler Prozesse durchaus denkbar, dass eine zügige Adaption zwar kurzfristig aufwändig ist, jedoch mittelfristig dem Team Arbeit abnimmt. Langfristig könnte es schlimmstenfalls sogar passieren, dass sich eine frustrierte Führungskraft von ihrem jetzigen Arbeitsplatz weg bewirbt, sich jedoch gerade die Blockierer im Team nicht so leicht umorientieren können und vielleicht sogar ihren Job verlieren.

Findet der Austausch auf der gleichen Stufe und daher mit dem gleichen Problembewusstsein statt, ist die Übernahme von Verantwortung eine logische Konsequenz: „Wenn ich schon realisiere, dass …, muss ich wohl auch …“ Befinden Sie sich jedoch nicht auf der gleichen Problemstufe, ist Frustration vorprogrammiert.

Kleiner Tipp am Rande: Die Problembewusstseinsstufen sind auch für Eltern pubertierender Kinder enorm hilfreich. Kinder zum Lernen zu bringen ist quasi unmöglich, wenn ihnen nicht bewusst ist, dass ein fehlendes Abi überhaupt ein Problem für sie sein könnte.

Ganz dicke Literaturempfehlung: Kessel / Raeck / Verres – Ressourcenorientierte Transaktionsanalyse

Warum uns Konfliktgespräche so schwer fallen

Von allen Anfragen für eine Konfliktbearbeitung, die ich bekomme, münden etwa 30% tatsächlich in eine Mediation. Die Gründe für die Absage der anderen sind unterschiedlich. Mal willigt der nicht-anrufende Konfliktpartner nur in eine Mediation ein, wenn am Ende dabei heraus kommt, dass seine Frau wieder zu ihm zurück kommt. Ein andermal werden innerbetriebliche Tatsachen durch eine Versetzung oder Kündigung geschaffen, bevor es zu einer versöhnenden Aussprache kommt.

Diffuse versus konkrete Ängste

Dabei spielen offensichtlich diffuse Ängste eine Rolle. Während konkrete Ängste uns stark und sofort aktivieren, aktivieren uns diffuse Ängste nur leicht, dafür jedoch dauerhaft. Sie lassen sich zwar verdrängen und auf die lange Bank schieben, wirken sich jedoch dauerhaft belastend auf unsere Psyche und unseren Organismus aus. Konkrete Ängste dienen unserem Überleben. Wer keinen Respekt vor Autos hat, lebt vermutlich nicht sehr lange. Diffuse Ängste wiederum sind nur bedingt sinnvoll. Es ist sicherlich hilfreich, über ein Frühwarnsystem zu verfügen, um soziale Fettnäpfchen zu vermeiden. Wer es damit jedoch übertreibt, macht sich sein Leben schwerer als es sein müsste.

Jeder Konflikttyp hat seine eigene Angst

Um zu ergründen, warum Menschen Konflikte und damit auch eine Aussprache oder Mediation scheuen, ist es erhellend, sich die Ängste der 5 Konflikttypen nach Thomas Kilmann anzusehen, auch wenn die Grenzen zwischen den Typen wie immer fließend sind. Eine umfangreiche Beschreibung der Typen erspare ich mir, da diese reichhaltig im Internet zu finden sind, bspw. hier.

Welche Ängste haben also die verschiedenen Typen?

KonfliktstilDiffuse Angst
Durchsetzen„Mediation heißt ja wohl ‘sich zurück halten und ausreden lassen‘. Ich weiß ja, dass mir das schwer fällt. Und am Ende bin ich wieder der Böse, der eine Einigung verhindert oder andere kränkt.“
Vermeiden„So schlimm ist das Ganze doch gar nicht. Schlimmer wäre es, wenn am Ende alles auf den Tisch kommt, was ich seit Jahren versuche, unter dem Teppich zu halten. Ich weiß nicht, ob ich das aushalte. Lieber lebe/arbeite ich mit jemandem zusammen, der schwierig ist, als die Beziehung komplett zu riskieren. „
Nachgeben„Ich kenne doch meinen Kollegen. Der kann sich gut darstellen und ich bekomme vor lauter Aufregung keinen Ton heraus. Durchsetzen kann mich sowieso nicht. Und wenn doch werde ich noch für undankbar gehalten. Schließlich habe ich bislang nie was gesagt.“
Gemeinsam eine Lösung finden„Was, wenn wir keine Lösungen finden, weil die Situation schon so verfahren ist? Dann bleibe ich lieber bei meinem idealistischen Wunschbild.“
Unvereinbares aushalten und nach Kompromissen suchen„Ich wäre ja bereit für einen Kompromiss. Mir ist auch bewusst, dass ich Abstriche von meinen Idealvorstellungen machen muss. Aber was, wenn mein Gegenüber nicht mit zieht?“

Typische Ängste betreffen also mögliche Kränkungen, eine mögliche Ablehnung, mangelnde Wehrhaftigkeit, ein drohender Beziehungsverlust oder der Abstand von den eigenen hohen Idealen.

Was sollte daher aus Sicht dieser Ängste eine erfolgreiche Mediation leisten:

  1. Themenreife: Es wird nicht von Beginn an über die Dinge gesprochen, die am meisten schmerzhaft sind, sondern erst wenn die Zeit reif dafür ist.
  2. Fairness: Jede/r bekommt genügend Raum und Zeit, um seine Anliegen und Sichtweisen vorzubringen.
  3. Respektvolles Streiten: Es geht nicht darum, einen Kuschelkurs zu fahren, sondern darum, respektvoll streiten zu lernen.
  4. Vernunft statt Moral: Es gibt kein gut oder böse. Stattdessen sind Kategorien wie „hilfreich“, „sinnvoll“, „wichtig“, „vernünftig“ oder „prozessfördernd“ wesentlich zielführender.
  5. Ideale Kompromisse: Große Ideale können tatsächlich eine Versöhnung verhindern. Aber bestenfalls finden zwei (oder mehr) Menschen gemeinsam ein neues Idealmodell.

Logischerweise ist eine Aussöhnung mit einem Konfliktpartner der beste Weg zur Einigung. Sollte dies jedoch aus verschiedenen Gründen schwierig sein, bietet sich als Alternative immer noch ein Konflikt-Coaching an.

Angebot: Konflikt-Coaching für Führungskräfte

Sowohl Aufwand als auch Hemmschwelle für eine Mediation sind groß. Mal ist der Konflikt noch nicht so ausgereift, dass sich eine Mediation anbietet. Ein andermal wurde bereits der Zeitpunkt verpasst, um sauber zu intervenieren. Zudem scheuen sich immer noch viele, eine Mediation in Anspruch zu nehmen. Gerade für Führungskräfte ist es jedoch wichtig, eigene Konflikte oder Konflikte zwischen Mitarbeiter*innen frühzeitig zu erkennen, respektvoll anzusprechen und gezielt zu lösen, um den Frieden im Unternehmen wieder herzustellen und negative Energien wieder produktiv zu nutzen.

Mein Konflikt-Coaching-Ansatz:

  • Reflexion des individuellen Konfliktverhaltens: Da jeder Mensch anders ist, gibt es auch nicht den einen perfekten Weg, um Konflikte zu lösen. Es kann sein, dass Sie sich als Führungskraft eher in der Fachverantwortung sehen und Ihnen Zwischenmenschliches schwer fällt. Vielleicht wundern Sie sich auch darüber, warum Ihre Mitarbeiter*innen sich überhaupt streiten. Oder Sie sind in Ihrer Kommunikation grundsätzlich „pfeilgrad“, womit Ihr Umfeld nicht immer umgehen kann. Alle Verhaltensweisen haben Vor- und Nachteile, auf deren Basis sich individuelle Strategien für Konfliktlösungen erarbeiten lassen.
  • Konfliktanalyse anhand bewährter Methoden: Je nach Bedarf lernen Sie sowohl für eigene als auch fremde Konflikte erprobte Kommunikations- und Mediationstechniken kennen, die Ihnen dabei helfen, Konflikte zu verstehen und Ansatzpunkte für zielorientierte Lösungen auf den Weg zu bringen. Durch die Bearbeitung realer Konfliktfälle aus Ihrem Arbeitsalltag erhalten Sie eine unmittelbar anwendbare, praxisnahe Unterstützung.
  • Konfliktlösungen als Prozess: Genauso wie ein Konflikt nicht über Nacht entsteht, lässt er sich nicht über Nacht lösen. Deshalb ist es sinnvoll, Konfliktlösungen als einen Prozess zu betrachten, der mit geduldigen und beharrlichen Gesprächen seinen Anfang nimmt und in der Praxis des gemeinsamen Arbeitslebens seine Umsetzung erfährt. Im Coaching erfahren Sie, worauf Sie bei diesem Prozess achten sollten, aber auch welche Fallstricke es zu vermeiden gilt.

Dauer, Umfang, Ort und Kosten:

Dauer und Umfang orientieren sich an Ihrem Bedarf. In der Regel sind jedoch drei Treffen zu jeweils 1,5 Stunden sinnvoll (150 € pro Treffen, zzgl. UsSt.). Das Coaching kann sowohl vor Ort in Ihrem Unternehmen als auch online via Videokonferenz durchgeführt werden.

Ihr Nutzen:

  • Verbesserung Ihrer Konfliktlösungsfähigkeiten durch Selbstreflexion und Methodenkenntnis.
  • Souveräner Umgang nicht nur mit Konfliktgesprächen, sondern grundsätzlich mit schwierigen Gesprächssituationen, bspw. in Verhandlungen oder Change-Projekten
  • Verbesserung des Arbeitsklimas und Erhöhung der Produktivität, weil Konflikte nicht lange schwelen und damit Energie rauben und Arbeitsprozesse verzögern.
  • Förderung einer offenen Kommunikation und Erhöhung der psychologischen Sicherheit in Ihrem Team, weil Ihre Mitarbeiter*innen darauf vertrauen, dass Sie souverän mit schwierigen Situationen umgehen, was zu einer höheren Mitarbeitermotivation und -bindung führt.

Meine Expertise:

Zusätzlich zu meiner streng-fachlichen Ausbildung zum Mediator nutze ich meine jahrzehntelange Erfahrung als Konfliktmanagement-Trainer für Führungskräfte. Ich greife sowohl auf klassische Methoden aus der Transaktionsanalyse bzw. dem Drama-Dreieck zur Konfliktanalyse zurück, als auch auf Struktur-Aufstellungen am Systembrett, Improtheater-Übungen, eine Gesprächsführung, die sich an neurowissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert, die Konflikt-Eskalationsstufen und den U-Prozess zur mediativen Konfliktbegleitung nach Friedrich Glasl und Embodiment-Übungen zum Training der Gelassenheit.

Kontakt für ein unverbindliches Erstgespräch: info@m-huebler.de oder 0911/7662641, Stichwort: Konflikt-Coaching