Stellen Sie sich folgende Geschichte vor. Sie arbeiten seit über 10 Jahren mit einem Auftraggeber zusammen und werden gebeten, für das nächste Jahr ein neues Seminar anzubieten. Also erarbeiten Sie ein neues Konzept und reservieren ein paar Termine, die nur noch final vom Vorstand abgesegnet werden müssen. Es hängt wie so oft an den Finanzen. Aber in 2-3 Wochen sollten Sie Bescheid bekommen. Es verstreichen 4 Wochen und Sie machen sich so langsam Gedanken. Also schreiben Sie eine Mail an die Personalerin, mit der Sie von Beginn an die Seminare für diesen Arbeitgeber planten. Keine Rückmeldung. Sie denken sich: „Vielleicht ist sie krank“ und warten ab. Zwei Wochen später rufen Sie an, erreichen jedoch lediglich ihre Stellvertreterin, die meint, „Frau X wäre gerade in einer Besprechung, wird sich aber umgehend bei Ihnen melden“. Frau X ruft jedoch nicht zurück. Sie schreiben eine weitere Mail mit der Bitte um Rückruf. Wieder nichts. Schließlich streichen Sie die Termine aus Ihrem Kalender und versuchen den Vorfall zu vergessen, was jedoch nicht ganz gelingt.
Genau so ereignete sich eine Episode in meinem Freiberufler-Dasein von Ende 2024 bis Anfang 2025. Der Fall ist zwar einerseits eine große Ausnahme, weshalb er mir immer noch nachhängt. Ich bin im Gegenteil oft überrascht und dankbar, wie schnell und zuverlässig sich selbst periphere Kooperationspartner*innen auf Anfragen zurückmelden. Andererseits gibt es in meinem Berufsleben 1-2 mal im Jahr ähnliche, wenn auch weitaus harmlosere Episoden eines Ghostings, indem Mails einfach ignoriert werden.
Als Freiberufler habe ich mir über die Jahre ein recht dickes Fell angeeignet. Dass Personaler*innen sich nicht unbedingt zurück melden ist normal, sofern noch keine Zusammenarbeit bestand. Sie hätten ansonsten viel zu tun, insbesondere wenn es sich um unaufgeforderte Anfragen handelt. Wenn jedoch Angebote aktiv angefordert wurden und dann keine Rückmeldung erfolgt, ist das ein schlechter Stil. Ist es wirklich so schwer, eine kurze Antwort zu schreiben, in der steht, dass es gerade oder insgesamt aus bestimmten Gründen nicht passt?
Online, in Präsenz, klassisch oder als Shuttle-Version?
Vor der Digitalisierung gab es nur eine Möglichkeit: Eine Mediation findet klassisch, d.h. meist 3-5 mal 1,5 Stunden gemeinsam in einem Raum statt. Die Hemmschwelle war entsprechend hoch, weshalb viele meiner Anfragen früher im Sande verliefen.
Heute jedoch bietet sich die Möglichkeit, mittels einer Online-Mediation diese Hemmschwelle zu reduzieren. Gerade in einem heißen Konflikt fällt es wesentlich leichter, auf Distanz miteinander zu sprechen, anstatt in einem Raum auf Tuchfühlung zu gehen.
Dabei sind Online-Mediationen nicht automatisch ein minderwertiger Ersatz für Treffen in Präsenz. Sie haben zwar den Nachteil, dass Mimik und Gestik des Gegenübers nicht sofort erkannt und erspürt werden, gleichzeitig kann dies jedoch ein Vorteil sein, um Konflikte überhaupt zu besprechen. Zudem lassen sich Online-Mediationen zeitlich und räumlich flexibler organisieren, was insbesondere für Konfliktparteien, die räumlich getrennt leben oder zusammen arbeiten von Vorteil ist. Hinzu kommt, dass Mediationen im beruflichen Bereich immer noch mit einem Makel verbunden sind, wodurch Online-Mediationen den Vorteil haben, Lösungen im Stillen zu suchen, ohne dass jemand im Unternehmen davon etwas mitbekommt.
Um die Nachteile einer Online-Mediation auszugleichen, biete ich sogenannte Shuttle-Mediationen an, bei denen ich vor dem gemeinsamen Austausch Einzelgespräche führe, um die Wahrscheinlichkeit einer späteren Einigung zu erhöhen.
Unterschiedliche Mediationen aus Mediand*innen-Sicht
Betrachten wir den Startpunkt verschiedener Mediand*innen wird zudem deutlich, dass den einen eher eine klassische Mediation in Präsenz entgegen kommt und den anderen eher Einzeltreffen im Rahmen einer Shuttle-Mediation.
Dies lässt sich gut anhand der Big 5 der Persönlichkeit darstellen, ohne hier in die Tiefe zu gehen (Literaturtipp: Howard und Howard: Führen mit dem Big 5 Persönlichkeitsmodell):
D.h. stark verkürzt:
Introvertierte, sensible, gewissenhafte (im Sinne von perfektionistische), angepasste und bewahrende Menschen bietet eine Shuttle-Mediation die Möglichkeit, sich in Ruhe mit dem Konflikt, möglichen Konsequenzen und Lösungen auseinander zu setzen.
Extravertierten, emotional stabilen, flexiblen (im Sinne von agilen), rebellischen und veränderungsfreudigen Menschen fällt es leichter, sich im Rahmen einer klassischen Mediation in lebhafte Diskussionen zu werfen.
Shuttle-Mediationen bieten gerade unsicheren, schüchternen und zurückhaltenden Menschen – ähnlich wie in einem Konflikt-Coaching – die Möglichkeit, kommunikative Kompetenzen zu trainieren, um sich auf den späteren Austausch vorzubereiten.
Nichtsdestotrotz bieten Shuttle-Mediationen der konfliktstabileren Seite ebenso die Möglichkeit, an sich zu arbeiten, um empathischer und sensibler zu werden, mit dem Ziel, die Wahrscheinlichkeit einer späteren Einigung zu erhöhen.
Ablauf einer 5-Stufen-Mediation
Da ich in meinen Mediationen zudem regelmäßig das Gefühl habe, kleine Seminareinheiten würden dem Prozess gut tun, dies jedoch im Rahmen des Mediationsgesprächs eher deplatziert und lehrmeisterhaft wirkt, ergänze ich mein Konzept um eine kurze Seminareinheit zu typischen Konfliktdynamiken und möglichen Lösungen.
Inklusive Fallschilderung und Abschlussgespräch ergeben sich damit 5 Stufen:
Kontaktaufnahme und Fallschilderung: Eine Person nimmt mit mir telefonisch oder per E-Mail Kontakt auf mit dem Wunsch nach einer Mediation. Ich muss zu diesem Zeitpunkt lediglich wissen, um was es in etwa geht, wer beteiligt ist, was auf dem Spiel steht und wie lange der Konflikt schon andauert. Mehr will ich nicht wissen, um nicht von einer Partei vereinnahmt zu werden.
Mediationsvorbereitung: Zum Einstieg bekommen Sie einen 30-45-minütigen Überblick über den Ablauf der Online-Mediation, inklusive einem kurzen Einblick in typische Konfliktdynamiken und -eskalationen. An diesem Termin können Fragen geklärt werden. Wir werden jedoch inhaltlich noch nicht in die Tiefe gehen. Aus meiner Erfahrung ist es sehr hilfreich, das Erfahrene in Ruhe auf sich wirken zu lassen, um sich Gedanken über die eigenen Ziele und Anliegen zu machen.
Shuttle- (Pendel-) Mediation: Da es online schwieriger ist, sich auszutauschen und in Resonanz zu gehen, ist es hilfreich, vor dem ersten Mediations-Treffen kurze Einzelgespräche von 30-45 Minuten zu führen. Darin wird geklärt, worin der Konflikt aus individueller Sicht besteht und welche Rolle jede*r in dem Konflikt spielt. Manche Mediand*innen erleben in diesen Gesprächen, dass Ihnen zum ersten mal jemand ernsthaft zuhört, um sie zu verstehen. Die Shuttle-Mediation findet idR. zwei mal pro Person statt, um die Sichtweisen der beiden Mediand*innen auf Distanz auszutauschen und so eine erste Annäherung zu gewährleisten.
Klassische Mediation: Im Anschluss vereinbaren wir ein klassisches Mediationstreffen, online oder in Präsenz, um zu klären, inwiefern Sie sich das Leben oder die Zusammenarbeit in Zukunft erleichtern können. IdR. ist dazu ein Termin von 1,5 bis 2 Stunden sinnvoll.
Abschlussgespräch: Das Abschlussgespräch findet in der Regel etwa einen Monat nach der Mediation als eine Art Evaluation statt und dauert 30 Minuten.
Die Unterteilung in verschiedene Bausteine (Input über Konfliktdynamiken, Einzelgespräche, klassische Mediation) bietet Ihnen einen Mehrwert auf verschiedenen Ebenen, insbesondere wenn Sie zu Beginn das Gefühl haben, dass eine Mediation vielleicht sogar sinnlos erscheint, bietet Ihnen mein Konzept die Erfahrung einer stufenweisen Weiterentwicklung.
In Firmen-Mediationen ist es zudem oft essentiell, zusätzlich den äußeren Rahmen zu beleuchten und zu bearbeiten, bestehend aus:
Stufe 6: Weitere Beteiligte: Vorgesetzte, Team, …
und Stufe 7: Strukturen: Verantwortlichkeiten, Prozesse, …
… um die Mediation möglichst nachhaltig zu gestalten.
Kosten: Bei Firmenkunden veranschlage ich einen Stundensatz von 150 € (inklusive Vorbereitung, Nachbereitung und sofern gewünscht Dokumentation, zzgl. UsSt.), bei Privatkunden 100€ / h.
Checkliste für Online-Mediationen
Am wichtigsten ist natürlich eine stabile Internetverbindung. Sollte es bei Ihnen – aus welchen Gründen auch immer – aktuell Störungen geben, teilen Sie dies bitte zu Beginn der Mediation mit. Die meisten Videoplattformen zeigen zudem die Qualität der Verbindung an.
Ebenfalls essentiell ist ein Raum, in dem Sie in Ruhe an der Mediation teilnehmen können. Auch das Ausschalten des Telefons ist wichtig.
Um eine gute Bildqualität zu gewährleisten ist es grundsätzlich hilfreich, mit einem Computer teilzunehmen.
Sollte es Probleme geben, schicken Sie eine E-Mail an: info@m-huebler.de. Bitte nicht anrufen, da ich ebenfalls mein Telefon ausschalte.
Da es wichtig ist, sich gegenseitig ausreden zu lassen, ist es hilfreich, sich Stift und Papier für Notizen bereitzulegen.
Bitte testen Sie etwa 10 Minuten vor den Online-Terminen, ob der Zugang zur Video-Plattform, Ihr Mikrofon und Ihre Kamera funktionieren.
Es klingt paradox, weil wir eigentlich davon ausgehen, eine positive Leistung durch positives Feedback zu verstärken. Denken wir jedoch genauer darüber nach, töten wir langfristig die Kreativität im Team ab, wenn wir ausschließlich ein Feedback auf positive Leistungen geben. Weil sich dadurch der Konkurrenzdruck erhöht und damit auch die potentielle Scham, nicht gut genug zu sein und deshalb lieber auf Nummer Sicher zu gehen. Denn wer etwas ausprobiert und sich damit exponiert, kann scheitern und sich beschämt fühlen oder sogar beschämt werden.
Die Geschichte ist voller Beispiele, in der sich Menschen über ihr Schamgefühl hinweg setzten und Erfolg hatten. Als Miles Davis nach seiner Bebop-Phase begann ruhige Lieder zu spielen, war das ein Risiko. Mit schnellen Läufen auf der Trompete konnte er technisch glänzen. Doch Balladen können schnell peinlich werden. Oder als EMI das Album-Cover zu New Model Armys „Thunder & Consolation“ von der Künstlerin Joolz rundum nieder machte, hätte sie einen Rückzieher machen können. Stattdessen setzte sie sich durch. Die ikonischen Runen auf der Frontseite zählen mittlerweile zu den meisttätowierten unter Musik-Fans. Und Schmuck-Anhänger sind ebenfalls zu haben. Wir wissen jedoch nicht, wie viele kreative Ideen uns durch Scham verloren gingen.
Wenn uns also jemand sagt, dass wir keine Ahnung haben, könnte er recht haben – oder einfach keinen Mut. Ich selbst bin ja auch mitten drin in diesem Spiel. Manche loben meine Bücher über den grünen Klee. Andere finden daran kein gutes Haar. Das liegt vermutlich daran, dass ich mich v.a. an mir selbst orientiere. Inspirationen sind eine tolle Sache. Und davon gibt es in unserem Zeitalter dank Internet und absoluten Gigant*innen im Coaching-Bereich eine riesige Menge. Wer jedoch darüber hinaus denken will, sollte sich von der Meinung anderer, insbesondere von einem vermeintlich sicheren Applaus, lossagen. Und, naja: Sich selbst von einer KI als Actionfigur „nachbauen“ lassen ist nicht gerade wahnsinnig kreativ. Interessanterweise habe ich aus meiner Sicht lediglich zwei eher provokante Bücher geschrieben: Einmal über Humor in der Führung und einmal darüber, wie sich die Regeln von Bienenvölkern und symbiotischen Tier-Teams auf menschliche Teams übertragen lassen. Und bei beiden Büchern finden sich teilweise vernichtende Kommentare auf Amazon. Bei meinen „seriösen“ Büchern jedoch nicht.
Wenn wir also in Teams unser Augenmerk lediglich auf Leistung richten, fördern wir gleichzeitig eine Kultur der Scham. Und alsbald gibt es nur noch Innovatiönchen. Kann es ein Zufall sein, dass Deutschland immer mehr von einer Schuld- zu einer Schamkultur wird, in der alle Nase lang irgendjemand im Internet gegrillt und gedemütigt wird und gleichzeitig nur noch bestehende Innovationen verfeinert werden, aber keine großen Erfindungen mehr entstehen? Natürlich gibt es dafür mehrere Gründe. Scham jedoch könnte einer davon sein.
Was also können Sie als Führungskraft tun?
Typische O-Töne in meinen Seminaren lauten:
Ja soll ich die Leute jetzt schon dafür loben, dass sie überhaupt anwesend sind?
Bei uns zählt v.a. Leistung.
Die bekommen doch ihren Lohn.
Wertschätzung? Wir können einfach nicht mehr Geld zahlen.
Sorry, aber darum geht es nicht. Natürlich ist es sinnvoll und wichtig, Leistung zu loben und ein kritisch-konstruktives Feedback zu geben. Gleichzeitig ist es genauso wichtig, nicht nur Mitarbeiter*innen zu sehen, sondern auch Menschen, die eine Existenzberechtigung haben, einfach weil sie Menschen sind. Menschen zu zeigen, dass sie wertvoll sind, ist gar nicht so schwer: Präsenz zeigen, ernst nehmen, aufmerksam zuhören oder sich Zeit nehmen. Es geht hier mehr um eine innere Haltung als um ein konkretes Feedback. Genau das ist mit psychologischer Sicherheit gemeint. Und daraus entstehen nicht selten spannende Innovationen. Einfach so.
Ein beinahe uralter Trick aus dem systemischen Denken ist die Unterteilung einer Sache in verschiedene Bausteine, um genauer zu wissen, wo die Probleme wirklich liegen und entsprechend anzupacken. Eines dieser Probleme ist der Wille etwas zu tun, dem sich der Psychotherapeut Roberto Assagioli in den 1970er Jahren annahm. Assagioli war der Begründer der Psychosynthese, einer Therapierichtung, die heutzutage kaum noch jemand kennt, jedoch vieles vorweg nahm, was später durch neurobiologische Verfahren bestätigt wurde. Übertragen wir den Willen in unsere Zeit, erscheint der Begriff der Motivation allerdings passender und neutraler.
7+1 Bausteine des Willens
Assagioli unterschied 7 Bausteine des Willens. Auf den ersten Blick scheinen manche dieser Bausteine in die gleiche Kategorie zu gehören. Ausdauer und Disziplin zum Beispiel oder Mut und Entscheidungsfreude. Nach näherer Betrachtung ist es jedoch sinnvoll, bei diesen 7 Bausteinen zu bleiben. Auch wenn diese verschiedenen Blickwinkel auf unsere Motivation nicht getrennt voneinander funktionieren. Habe ich Mut, ist auch mein Energielevel höher. Kann ich mich schlecht von etwas Nicht-Gewähltem trennen, leidet vermutlich auch meine Konzentrationsfähigkeit:
Überblick: Der Überblick über die eigenen Aufgaben und Möglichkeiten ist essentiell, um zu planen, organisieren, Prioritäten zu setzen und später Erfülltes wieder im Gesamtkontext zu sehen und zu integrieren. Der Überblick ist daher zu Beginn und am Ende wichtig.
Mut und Initiative: Ab und an werden wir mit Möglichkeiten und Tätigkeiten konfrontiert, die komplett neu sind. Wir wissen nicht, was dabei herauskommt und ob es Schwierigkeiten geben wird. Wir bewegen uns ins Offene.
Entscheidungsfreude: Bei der Entscheidungsfreude geht es weniger um etwas komplett Neues – obwohl das auch ein Aspekt sein kann – sondern um die Entscheidung zwischen zwei oder mehr Optionen. Wir sollten uns daher von den nicht gewählten Optionen ohne Groll trennen können, im Bewusstsein, dass wir im Leben nicht alles haben können.
Energie: Jeder Mensch geht zwar mit einer persönlichen Grundenergie durch das Leben. Diese kann jedoch durch ein spannendes Projekt nach oben steigen. Ist die persönliche Energie sehr niedrig, kann dies durch eine große Ausdauer ausgeglichen werden. Ich kann ein Buch in 3 Monaten oder in 3 Jahren schreiben. Manchmal ist es auch gut, sich Zeit zu lassen und seine Energie einzuteilen.
Konzentration und Fokussierung: Nach dem Überblick, dem Wagnis, ein neues Projekt anzugehen und der Entscheidung für und gegen etwas sollten wir uns ganz und gar auf das Angestrebte konzentrieren.
Ausdauer: Manche Projekte lassen sich mit viel Energie schnell durchziehen. Andere brauchen einen langen Atem und die Beharrlichkeit, dran zu bleiben und sich nicht abbringen zu lassen. Schwierige Gespräche beispielsweise lassen sich langfristig effektiver mit Beharrlichkeit als mit dem Holzhammer durchführen.
Disziplin: Während sich Ausdauer eher auf die Zeit an sich bezieht, strebt die Disziplin die Erhöhung der Qualität einer Tätigkeit an, indem sie die eigene Impulsivität beherrscht. Dies lässt sich gut an Sportarten verdeutlichen: Für manche Sportarten, bspw. einen Marathon, brauche ich mehr Ausdauer als Disziplin. Es ist nicht wichtig, ob ich schön laufe, sondern lediglich mit einer guten Zeit ins Ziel zu kommen. In anderen Sportarten, bspw. Fußball oder Turnen, brauche ich zusätzlich Disziplin. Beim Fußball kommt es darauf an, eine Ecke wieder und wieder zu üben, bis sie perfekt auf einem freundlichen Kopf landet. Und beim Turnen bekomme ich Punkte für perfekte, elegante Bewegungen. Ich muss also lernen, etwas nicht irgendwie, sondern auf eine bestimmte Weise zu tun.
Mir persönlich fehlt bei den Bausteinen ein weiterer Punkt:
8. Durchsetzung: Wie gehe ich mit Widerständen um? Wie verteidige ich meine Entscheidung gegen andere?
Motivation als Thema von Mitarbeitergesprächen
Aus psychologischer Sicht haben wir mit diesen 8 Aspekten der eigenen Motivation eine großartige Möglichkeit, zu untersuchen, woran es liegt, dass Mitarbeiter*innen motiviert sind oder nicht:
Hast du einen Überblick über deine Tätigkeiten und weißt, welche Möglichkeiten du zum Handeln hast?
Wie leicht fällt es dir auf einer Skala von 1-10, etwas Neues auszuprobieren? Wobei ab 11 der Übermut beginnt.
Wie leicht / schwer fällt es dir, dich von dem Nicht-Gewählten zu trennen?
Wie hoch ist dein Energielevel bei diesem Thema auf einer Skala von 1-10?
Wie leicht / schwer fällt es dir, für eine bestimmte Zeit alles andere auszublenden und dich voll und ganz auf dein Thema zu konzentrieren?
Wie leicht / schwer fällt es dir, solange an der Aufgabe dran zu bleiben, bis sie erledigt ist, insbesondere wenn es länger dauert. Denkst du, die Aufgabe ist eher eine Kurz- oder Langstrecke?
Glaubst du, die Aufgabe erfordert es, sich in Feinheiten einzuarbeiten oder geht es eher darum, sie zackig umzusetzen? Hast du Lust darauf, die Tätigkeit so lange zu verfeinern, bis sie perfekt ist, wenn es sinnvoll erscheint?
Wie leicht / schwer fällt es dir, dich gegen äußere Widerstände argumentativ durchzusetzen?
Auf der Teamebene
Auch auf der Teamebene bieten diese 8 Aspekte der Motivation gute Ansätze zur Diskussion und Aufgabenverteilung:
Haben wir alle einen umfassenden Überblick über das Anstehende?
Welche (Teil-)Aufgaben erfordern einen gewissen Mut und wem fällt es leicht, sich darauf einzulassen?
Wogegen entscheiden wir uns und wie schwer fällt uns das?
Wie hoch ist unser Energielevel bei dem anstehenden Projekt?
Welche (Teil-)Aufgaben könnten länger dauern und wer bringt die entsprechende Ausdauer mit?
Welche (Teil-)Aufgaben müssen kurz und knackig erledigt werden und wer fühlt sich dafür geeignet?
Welche (Teil-)Aufgaben erfordern eine gewisse Lust an Perfektion und wer bringt die entsprechende Disziplin dazu mit?
Welche (Teil-)Aufgaben erfordern lediglich eine Erledigung ohne Schnörkel und wer fühlt sich dazu berufen?
Müssen wir unsere Entscheidungen nach außen rechtfertigen? Wenn ja, was brauchen wir dafür und wie leicht wird uns das fallen?
Wir sehen also, dass v.a. die Aspekte der Initiative, Energie, Ausdauer und Disziplin individuelle Kompetenzen erfordern, während der Überblick, die Konzentration, Entscheidungs-freude und Durchsetzung eher Gesamt-Team-Themen sind.
Auf Team-Ebene lässt sich zudem elegant mit einer Motivations-Canvas arbeiten:
Wer sich derzeit in der Welt umsieht, scheint beinahe nur noch mit Negativem konfrontiert zu sein. Europa bereitet sich auf einen Handelskrieg mit den USA vor und gleichzeitig auf die Gefahr, die seit den Hunnen aus dem Osten zu kommen scheint (Literaturempfehlung über Ur-Ängste und Konflikte: Ralf Langejürgen – Entfasziniert euch!). Die Belastung in deutschen Organisationen erreicht beinahe wöchentlich neue Hochstände. Aber lassen wir das. Sie kennen die Hiobsbotschaften.
Intuition als Überlebensfaktor
Unsere Wahrnehmung hat einen guten Draht zu unserem Bauchgefühl. Das wiederum sagt: Es ist schlimm und wird eher noch schlimmer. Und der Austausch mit anderen macht es meist noch schlimmer, weil unser Gehirn lieber nach Bestätigung sucht als nach Korrektur.
Aus Urzeiten wissen wir: Wer im Wald einem potentiell gefährlichen Tier begegnet, denkt nicht lange nach, um zu überleben. Mit weitreichenden Konsequenzen:
Wer regelmäßig wilde Tiere kontaktet, weiß (intuitiv) was zu tun ist.
Wer zum ersten Mal in seinem Leben eine solche Erfahrung macht, verfügt über keine adequate Lösung.
Ein Mensch ohne Erfahrung spielt folglich Roulette mit einer 1 zu 4-Chance (totstellen, wegrennen, angreifen oder ruhig auf den potentiellen Angreifer einreden). Als Mediator würde ich vermutlich intuitiv auf meine sanfte Mediatoren-Stimme umstellen und hoffen, dass die autditiv-hypnotischen Schwingungen auch bei Nicht-menschlichen Organismen funktionieren. Alles andere läge mir sowieso fern. Aber ob es funktioniert? Keine Ahnung.
Intuition als schnelles Analyse-Tool
Genauso geht es uns allen in Situationen, die wir nicht kennen. Wir sollten schnell handeln, wissen jedoch nicht wie. In solchen Situationen kann unsere Intuition als schnelles Analysetool hilfreich sein. Ein Garant für ein erfolgreiches Handeln ist sie jedoch nicht. Ein Beispiel: Sie sprechen mit einem Mitarbeiter, der Sie vermeintlich „angreift“. Ihre Inttuition flüstert Ihnen folgende Assoziationen ein:
eher ein Fuchs als ein Bär oder Wolf
er könnte mich hintergehen
bloß nicht den Rücken zukehren
nicht zu viele Freiräume lassen
usw.
Sie können solche intuitiven Übungen freilich mit verschiedenen Tieren durchspielen. In meinen Seminaren tauchen ab und an Aale (glitschig, gleitet einem durch die Hände), Elefanten (schwer zu etwas zu bewegen) oder Platzhirsche (der verteidigt vehement sein Revier) auf. Aber auch andere intuitive Metaphern wie „mein Kindergarten“ oder „Hühnerhaufen“ sind sehr beliebt. Vermutlich entstand aus einem solchen intuitiven Impuls die Idee von Eric Berne, kommunikative Dynamiken in der Transaktionsanalyse zwischen Eltern und Kindern zu untersuchen.
So wertvoll solche intuitiven Analysen sein können, bringen sie doch drei Probleme mit sich:
Mangelnde erfahrungsbasierte Intuition: Wir kennen uns häufig nicht mit solchen Ausnahmesituationen aus, da Führungskräfte eben nur einen Aal, einen Wolf und einen Elefanten im Team haben und kein Dutzend davon. Deshalb ist unsere erfahrungsbasierte Intuition in Ausnahmesituationen überfordert und greift v.a. auf einfache Strategien wie Angriff, Verteidigung oder Aussitzen zurück.
Tendenz zum Negativen: Sie betonen das Negative stärker als das Positive, weil der Mensch in Belastungs- und Bedrohungs-Situationen auf Überleben gepolt ist. Aus der möglicherweise bedrohlichen Ausgangssituation entsteht logischerweise nur eine negative Möglichkeit, damit umzugehen. So erfolgt aus der Analyse, einem Aal gegenüber zu stehen, logischerweise, diesen in einem kleinen Becken zu halten und irgendwie „dingfest“ zu machen. Produktiv sieht anders aus.
Wirklichkeitskonstruktion: Intuitive Analysen sind häufig nicht wertschätzend und daher nicht für einen Austausch mit der betreffenden Person geeignet. Wer mag schon von seiner Führungskraft als Kindergarten oder Wolf bezeichnet werden. Sollte Sie dennoch kommunikativ mit solchen schnellen Analyse arbeiten, können sogar Wirklichkeiten festgeschrieben werden, die zuvor noch gar nicht bestanden. Plötzlich verhält sich der Elefant tatsächlich wie ein Elefant.
Auf Milton Erickson geht der Satz „energie flows, where concentration goes“ zurück. So kann es sein, dass sogar ein Zu-spät-Kommen zu Teamsitzungen umso häufiger wird, je mehr Aufmerksamkeit Sie diesem Phänomen widmen.
Dieses Phänomen lässt sich auch gesamtgesellschaftlich beobachten:
Es kann sein, dass Russland Europa eines Tages angreift. Ob die beinahe schon obsessive Beschäftigung mit Krieg in den Medien dies verhindert, wage ich jedoch zu bezweifeln. Doch so wie der Konflikt- ist offensichtlich auch der Kriegs-Hund sehr hungrig und will gefüttert werden. Der Versöhnungs- und Friedens-Hund scheint dahingegen ein eher bescheidener Genosse zu sein.
Es kann sein, dass manche Vetreter*innen der jungen Generation nicht mehr so viel arbeiten wollen wie die Generationen zuvor. Es kann aber auch sein, dass sie noch auf der Suche nach einem guten, eigenen Weg durch den Dschungel sind zwischen einem erfüllenden Job und nach Corona endlich das Leben genießen.
Kurzum: Aufgeregt haben wir uns schnell, weil irgendeine Stimme uns ein schnelles Urteil einflüsterte. Aber ob diese Stimme recht hat?
Intuition als Möglichkeitssinn
Von Robert Musil (Der Mann ohne Eigenschaften) stammt der schöne Begriff des Möglichkeitssinns. Eines Sinns, der in die Zukunft weist, der fantasiert und hofft und damit positiver denkt als unsere Analyse-Intuition. Der Fokus einer solchen Möglichkeits-Intuition sollte jedoch von unserem Gegenüber weg- und zu uns selbst hingehen. Sie nehmen dann den Elefanten, Fuchs oder Kindergarten zwar wahr. Diesen können Sie jedoch ohnehin nicht verändern. Verändern können Sie nur sich selbst. Dazu brauchen Sie jedoch das Gegenstück Ihres Gegenübers. Wer also sind Sie, wenn Ihr Gegenüber ein Elefant, Fuchs oder Kleinkind ist? Ein*e Dompteur*in, Waldhüter*in oder Kindergärtner*in? Oder sehen Sie sich als etwas anderes? Vielleicht ja als Chef*in eines Rudels, als Gefährt*in oder als Anleiter*in für kleine Kindergarten-Wissenschaftler*innen? Und wie können Sie aus dieser intuitiven Figur heraus die Realität positiv beeinflussen?
Eine Anleitung zur intuitiven Veränderung der Wirklichkeit
Aufbauend auf diesen Gedanken lassen sich vier bzw. fünf Schritte zur Veränderung der Wirklichkeit festschreiben:
Intuitive Analyse Ihres Gegenübers: Beispiele: Mein Gegenüber ist wie ein lauernder Wolf, der mich bedroht. Oder: Mein Gegenüber ist wie ein Aal, der mir durch die Finger gleitet. Oder: Mein Gegenüber ist wie ein Maulwurf, der sich in Winderseile versteckt, wenn ich komme. Welches Bild fällt Ihnen von Ihrem Gegenüber spontan ein?
Intuitive Selbstreflexion IhrerErst-Reaktion: Ich passe schlimmstenfalls in sein Beuteschema. Angriff oder Verteidigung! Oder: Der Aal darf nicht zu viele Spielräume haben (kleines Becken), um ihm habhaft zu werden. Oder: Ich muss den Maulwurf los werden, bevor mein Garten ruiniert ist. Wie reagieren Sie intuitiv?
Entscheidung für eine wunsch-intuitive eigene Wirklichkeit: Ich weigere mich, Beuteschema zu sein oder Aalzüchter*in oder Gärtner*in und entscheide mich für einen anderen Gegenpart, bspw. als Gefährt*in, um dem Wolf respektvoll auf Augenhöhe zu begegnen und die jeweiligen Kompetenzen zu ergänzen, in diesem Fall Cleverness und Weitblick. Oder ich akzeptiere den Maulwurf als Eigenbrötler und versuche ihn ab und an (Nachts, wenn alle anderen weg sind?), aus seinem Bau zu locken. Oder ich vertraue darauf, dass der Aal einen eigenen Kompass hat. Wer könnten oder wollen Sie sein, um eine neue Wirklichkeit herzustellen?
Möglichkeitenin gewünschte Bahnen lenken: Ich übersetze meine Wunsch-Intuition in realistische Sprache und bahne damit eine neue Wirklichkeit: „Ich habe das Gefühl, wir könnten uns gut ergänzen. Du bist clever (wie ein Fuchs) und ich habe den Überblick über die kommenden Projekte. Bist du dabei?“ Oder: „Wann wäre eine gute Zeit, sich in Ruhe über Ergebnisse auszutauschen?“ Oder: „Mich würde interessieren, wie dein innerer Kompass aussieht“. Was könnten Sie Ihrem Gegenüber konkret sagen, um eine neue, kooperative Begegnung zu ermöglichen?
Intuitive Wunschvision des Gegenübers fördern: In Coachings oder intensiven, vertrauensvollen Mitarbeitergesprächen bietet es sich zudem an, die intuitive Wunschvision des Gegenübers bspw. mit inneren Bildern oder Bildkarten zu fördern. Dies sollte jedoch losgelöst vom eigenen Bild des Fuchses, Elefanten, etc. stattfinden, um neurobiologische Vorbahnungen zu verhindern. Das Züricher Ressourcenmodell (ZRM) greift dabei auf Bildkarten zu Bergbesteigungen (anstrengend, aber lohnend), Flugzeugen (hoch hinaus), Krieger (ungeahnte Kräfte), Löwen (Stärke), bemalte Gesichter (Vielfalt), helfende Hände (Unterstützung), Apfelbäume (Ernte) oder Jogger (Ausdauer) zurück, um unbewusste Ziele ans Licht zu bringen.
Mit diesem Schema kommen Sie von einer ersten intuitiv-negativen auf eine zweite, produktivere und mit Sicherheit realistischere Sicht auf die Welt oder Ihr Gegenüber.
Literatur: Bernd Schmid – Intuition und Professionalität
Positiv, Humorvoll, Wissenschaftlich fundiert
Diese Website benutzt Cookies. Wenn Sie die Website weiter nutzen, gehen wir von Ihrem Einverständnis aus.OK