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Was macht ein erfolgreiches Inhouse-Seminar aus?

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Aus meiner Sicht sind es drei Aspekte:

  1. Praxisbezug
  2. Spaß
  3. Bindung

1. Praxisbezug

Seminare sind keine pure Wissensvermittlung. Die Zeiten, in denen Organisationen noch Geld genug und v.a. die Zeit hatten, ihre Führungskräfte wochenlang auf Seminare zu schicken sind lange vorbei. Stattdessen habe ich immer mehr Auftraggeber, die ihren Mitarbeiter*innen nur noch einen Tag im Jahr spendieren, oft in den eigenen Räumen, manchmal auch zweimal im Jahr. Die zeitliche Überbelastung der Führungskräfte lässt häufig nicht mehr zu. Bei einem Tag bleibt jedoch wenig Spielraum für eine tiefere Beschäftigung mit einem Thema. Stattdessen braucht es schnelle Erkenntnisse und Übungen, die eine sofortige Umsetzung in die Praxis garantieren. Das wiederum erfordert einen praxisorientierten Methodenkoffer aus kurzen Rollenspielen (ohne Video-Analyse-Tamtam), Impact-Techniken oder mentalen Übungen. Kurzum: Alles, was wenig theoretisch ist, sondern stattdessen sofort spürbar macht, ob eine Vorgehensweise (Ansagen, Fragetechniken, Körpersprache) funktioniert oder nicht.

Dabei spielt der Faktor Geld aus meiner Erfahrung eine geringere Rolle als die Zeit. Wenn Organisationen schon die Dauer eines Seminars verkürzen, sind sie durchaus bereit, für einen solchen Power-Tag mehr zu bezahlen als bislang. Immerhin sparen sie sich den zweiten Tag.

2. Spaß

Wenn Seminarteilnehmer*innen mehr oder weniger gezwungen werden, an einem Training teilzunehmen, sollte es nicht nur einen inhaltlichen Mehrwert bieten, sondern auch Spaß machen. In meinen Seminaren heisst es am Ende häufig: „Der Tag ging schneller vorbei als gedacht. Hat Spaß gemacht.“ … wenn auch nicht unbedingt in dieser Reimform. Anscheinend gibt es da draußen eine Menge Trainer*innen, die glauben, Erkenntnisse müssen mit Leiden zusammen hängen. Ähnlich wie Arbeit in den Augen einiger Menschen nicht leicht sein darf, um ernsthaft Arbeit genannt zu werden, müssen auch Trainings eine gewisse seriöse Ernsthaftigkeit mitbringen.

Dieser Gedanke lässt sich auf das idealistische Denken von Hegel beziehen: Das Sein ist schwierig, aber wir können es durch unser Bewusstsein verändern. Anders formuliert: Lasst uns darüber nachdenken, wie eine gute Führung aussieht und wie wir damit unser Umfeld verändern könn(t)en.

Am Ende eines sehr idealistischen Seminars sind dann bestenfalls alle begeistert. Schließlich steht man auf der guten Seite und will wirklich etwas zum Besseren verändern. Die Atmosphäre wird geprägt von einer beinahe feierlichen Aufbruchsstimmung.

Das Problem dabei: Idealistische Denkweisen wirken schnell frustrierend, da sich Systeme nun einmal schwer und wenn, dann nur langsam verändern lassen. Zudem mangelt es idealistischen Sichtweisen oftmals an Realitätsnähe. Kein Wunder, dass dagegen manche Teilnehmer*innen rebellieren.

Externe Seminare halten es in der Regel aus, idealistisch zu sein. Hierzu melden sich schließlich hoch motivierte Menschen an. Inhouse-Seminare sollten sich mehr an dem orientieren, was in der gemeinsamen Realität vorhanden ist. Zudem drehen sich Inhouse-Seminare um ein einziges System, das ansich schon verbindend wirkt. Da es dieses eine System in offenen Seminaren nicht gibt, braucht es andere Bindungsmöglichkeiten der Teilnehmer*innen untereinander. Hierzu drängen sich Ideale geradezu auf.

Der Spaß in einem Seminar folgt einer Komödienlogik und arbeitet mit dem was da ist. Stellen Sie sich vor, Sie wären ein erfolgreicher Manager wie in dem Film „Die Glücksritter“ von Eddie Murphy und müssten mit einem Bettler aufgrund von Umständen, die sich bei Interesse bei Wikipedia nachlesen lassen, die Rollen tauschen. Plötzlich bestimmt nicht mehr Ihr Bewusstsein Ihr Sein – wie bei Hegel – sondern die materiellen Umstände Ihr Bewusstsein – wie bei Marx. Sie müssen sich daher mit dem arrangieren, was materiell vorhanden ist. Und damit meine ich nicht nur die Finanzen, sondern das gesamte Umfeld. Sie müssen lernen zu improvisieren, was – wenn man es nicht zu ernst nimmt – ein erhebliches humoristisches Potential in sich birgt.

Wenn uns das nicht an Situationen erinnert, in die Führungskräfte geworfen werden, wenn das eigene Team wieder einmal dezimiert wird, weil ein junger Mitarbeiter sich unerwartet weg bewirbt und/oder jemand schwanger ist. Im Nu müssen die ehedem großen idealistischen Ziele über Bord geworfen und auf Improvisation umgeschaltet werden.

Tragisch wäre es, an den Zielen festzuhalten, weil damit wenigstens die reine Lehre aufrecht erhalten bleibt: „Ich könnte ja, wenn nicht …“

Komödiantisch wird es, wenn mit einem Augenzwinkern mit der „Materie“ improvisiert wird, die vorhanden ist: „Es hilft ja nichts, also …“

Das ernsthaft Tragische bleibt damit inhaltlich sauber. Das Komödiantische macht sich schmutzig.

Ein Spaßansatz (in Seminaren) nimmt daher paradoxerweise Teilnehmer*innen viel ernster, weil es mit der vorhandenen Realität der Menschen arbeitet: „Es ist wie es ist. Machen wir das Beste daraus.“ Und ganz ehrlich: Das, was in der Theorie gilt, wird sich in der Praxis ohnehin nur zum Teil umsetzen lassen.

(Für eine tiefere Betrachtung der Gegensätze „Tragischer Idealismus versus Komödiantischer Materialismus“ siehe hier)

3. Bindung

Fluktuation, Homeoffice und Co. führten in den letzten Jahren dazu, dass die Bindung in Organisationen immer mehr abnimmt, mit weitreichenden negativen Konsequenzen für den Informationsaustausch, aber auch die Resilienz von Teams im Umgang mit Belastungen. Viele Führungskräfte wünschen sich daher mehr Austausch, bspw. kollegiale Beratungen oder regelmäßige Treffen untereinander. Noch so ein idealistisches Ziel, das leider nur selten umgesetzt wird. Zum einen mangelt es an der Zeit für die Umsetzung. Zum anderen braucht es eine klare Organisation.

Inhouse-Seminaren kommt daher die Funktion zu, diese Lücke zu füllen. Ein gutes Seminar fördert daher das Kennenlernen als auch den Austausch der Teilnehmer*innen untereinander. Ich kann daher nur empfehlen, Inhouse-Seminare verpflichtend zu machen, im Sinne von: Wir haben hier ein Angebot aus drei Führungsseminaren pro Jahr. Eines davon solltest du besuchen.

Netzwerken in einer hybriden Welt, Teil 5 (von 5)

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Meine Empfehlungen zum Thema Netzwerken

1. Netzwerken muss Spaß machen

Wann macht Netzwerken am meisten Spaß? Wenn es keine offiziellen Netzwerktreffen sind. Ich vergesse regelmäßig, am Ende meiner Seminare darauf hinzuweisen, dass ich auch auf Linkedin unterwegs bin und regelmäßig Blog-Artikel schreibe. Das fühlt sich für mich als Anti-Vertriebler immer ein wenig schmierig an. Wenn ich jedoch selbst Seminare besuche – und sei es ein Kurs zum Thema Stimmbildung oder Schauspiel – unterhält man sich automatisch in der Mittagspause über dies und das. Und plötzlich macht netzwerken Spaß und fühlt sich ganz natürlich an.

2. Denken Sie langfristig

Manchmal braucht es Jahre, bis ein loser zu einem fruchtbaren Kontakt wird. Das funktioniert jedoch nicht mit Druck, sondern nur durch ein ehrliches Geben meinerseits und einem großen Vertrauen in die Zukunft. Aus manchen Kontakten wird freilich nie etwas, während sich andere zum Jackpot entwickeln. Vorher wissen kann das niemand.

3. Seien Sie ordentlich

Ich gebe zu, dass sich hier meine größte Netzwerkschwachstelle befindet. Als kreativer Chaot ist das jedoch nicht ungewöhnlich. Hätte ich von Anfang an sauber alle Kontakte gesammelt und kategorisiert, wüsste ich heute schneller, wen ich bei welcher Frage über welches Medium „anfunken“ könnte. Also lasse ich mich von meinen Linked-in-Adressen inspirieren, wenn ich einen Auftrag zu vergeben habe oder einen Rat brauche. Das ist zwar mega-spontan, kann jedoch dazu führen, dass ich es ganz lasse, wenn ich gerade keine Zeit habe und daher suboptimal.

Daher mein Tipp: Beginnen Sie heute damit, Ordnung in Ihre Kontakte zu bringen, indem Sie sie in verschiedene Kategorien einteilen, um im Fall der Fälle schnell darauf zugreifen zu können.

Dieser Artikel wurde in leicht veränderter aus dem eBook „Wie kompetent muss ich sein?“ (externer Link) entnommen.

Netzwerken in einer hybriden Welt, Teil 4 (von 5)

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Empathie als zentrale Netzwerkkompetenz

Laut Wikipedia bezeichnet Empathie die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Emotionen, Gedanken und Motive einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden. Damit einher geht die Fähigkeit angemessen auf die Gefühle anderer Menschen einzugehen, beispielsweise nachzufragen, wie eine Situation gerade empfunden wird und ob eine Unterstützung erwünscht ist.

Warum machen uns Online-Meetings müder als Treffen in Präsenz? Ich kenne keine Studie dazu, vermute jedoch, dass es an der Schwierigkeit des Einfühlens liegt. Sehe ich mein Gegenüber nur verzögert auf einem kleinen Bildschirm, muss ich in meinem Gehirn ergänzen, ob es in den nächsten Sekunden etwas sagen möchte oder nicht. War da nicht ein Zucken? Oder doch nicht? Kein Wunder, dass online kaum ein flüssiges Gespräch in Gang kommt.

Bereits in einer direkten Kommunikation können wir uns zwar in andere Menschen über unsere Spiegelneuronen und die Deutung der Körpersprache im Normalfall gut einfühlen. Wir können jedoch das, was unser Gegenüber in Gänze ausmacht, seine sogenannte Qualia, kaum in Wort fassen. Dies gestaltet sich auf Distanz nochmals schwieriger.

In einer Welt, in der andere Menschen als Konkurrenten gesehen werden, Schwächen verpönt sind und Emotionen allenfalls oberflächlich gezeigt werden, steht es ohnehin schlecht um unsere Empathie. Einfühlungsvermögen benötigt nicht nur Offenheit, sondern auch Zeit.

Da unser Gehirn jedoch nicht wahrnehmen kann ohne zu bewerten und Unsicherheiten kaum aushält, sind wir beständig am ergänzen, was in unserem Gegenüber gerade vor sich geht. Was für die Kommunikation in Online-Meetings gilt, gilt für eine Kommunikation auf Distanz und damit auch in Netzwerken noch verstärkt. Bekommen wir lange Zeit keine Rückmeldung auf eine Anfrage, muss ich die Situation und damit meine Gesprächspartner*innen irgendwie einordnen. Und dies erfolgt nicht unbedingt optimistisch und wohlwollend:

  • Mein*e Netzwerkpartner*in interessiert sich nicht für mich oder ist ein*e Idiot*in und selbst schuld, wenn er oder sie sich nicht meldet.
  • Oder: Ich bin vermutlich nicht wichtig genug.

Stattdessen wäre es sinnvoller, nachzufragen, was wirklich in Kolleg*innen oder Netzwerkkontakten vorgeht, wenn keine Rückmeldung erfolgt. Meist steht dahinter keine böse Absicht, sondern Zeitdruck. Zuerst hat mein Gegenüber noch keine Antwort. Dann kommt etwas dazwischen. Und dann ist es vielleicht nicht mehr aktuell. Das alles sollen keine Ausreden sein, warum sich jemand nicht meldet, sondern lediglich Erklärungen, die logisch nachvollziehbar sind.

Ein zentraler Aspekt der Empathie ist daher die Unterscheidung zwischen Verstehen und Verständnis. Wenn ich mein Gegenüber verstehe, kann ich einen Perspektivwechsel vornehmen und mich damit in sein Denken und Fühlen, seine Ziele und die Logik seiner Handlungen hinein versetzen. Ein Verständnis für seine Handlungen muss ich nicht haben. Das Verstehen einer Person basiert auf einer individuellen Einfühlung. Das Verständnis verbindet dieses mit einer persönlichen Bewertung. Ich verstehe, dass du dich nicht meldest, finde es aber dennoch blöd. Deshalb ist die gängige Diffamierung des Putin-Verstehers unlogisch. Ein Reporter muss Putin verstehen, um über ihn zu berichten. Verständnis für das Agieren des russischen Präsidenten muss er nicht haben.

Um überhaupt zu einem Verstehen zu kommen braucht es als erstes die Achtsamkeit, unsere Wahrnehmung von schnellen Bewertungen zu trennen. Dass ich keine Rückmeldung bekomme kann viele Gründe haben. Erst im zweiten Schritt geht es darum, sich empathisch-wertschätzend zu begegnen, um gerade über die digitale Ferne die Bindung zu erhalten oder aufzubauen. Dazu kann ich mich zum einen in mein Gegenüber hineinversetzen und darüber nachdenken, was er oder sie gerade braucht. Wenn ich beispielsweise zu einem Termin noch nicht zusagen kann, schicke ich zumindest eine Rückmeldung über den Prozess meiner Entscheidungsfindung: Ich muss zuerst dies und das mit Person X abklären und melde mich dann wieder in so und so viel Tagen.

Zum anderen kann ich empathisch nachfragen, wenn ich auf eine Antwort warte. Fragen wirken enorm wertschätzend. Gleichzeitig erfahren Sie bestenfalls, warum jemand sich nicht meldet. Mögliche Fragetechniken lauten:

  • Hypothesenfragen: „Ich vermute, dass bei dir gerade ganz andere Sachen dringender sind. Ist das so?“
  • LösungsorientierteFragen: „Wie wollen wir uns in Zukunft absprechen?“, „Wie könnte es besser funktionieren?“ oder: „Ist es passend für uns zu mailen oder brauchen wir ein anderes Kommunikationsmedium?“
  • Genauern: „Was genau ist bei dir gerade los?“ oder „Was genau meinst du mit: Es ist gerade schwierig?“

Dieser Artikel wurde in leicht veränderter aus dem eBook „Wie kompetent muss ich sein?“ (externer Link) entnommen.

Netzwerken in einer hybriden Welt, Teil 3 (von 5)

Worauf es konkret ankommt, wenn ich netzwerke, zeigt sich im Netzwerkkompetenzen-Dreieck:

1. Innere Haltung

Die innere Haltung als Netzwerker*in sollte vom Grundsatz geprägt sein: Erst geben, dann bekommen. Der Psychologie-Professor Adam Grant unterscheidet dazu die drei Netzwerker-Typen Nehmer, Geber und Tauscher:

Nehmer sind Menschen, die erst um etwas bitten und später – vielleicht – etwas zurückgeben. Sie sind zuerst auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Nehmer machen durchaus Karriere, insbesondere wenn wir an all die Narzissten auf Chefsesseln denken. In Krisenzeiten könnte es jedoch einsam werden. Oder wie es ein Parteikollege, der damals nicht genannt werden wollte, über Edmund Stoiber auf den Punkte brachte, als dieser mit dem Verzicht auf das Wirtschaftsministerium in Berlin beteuerte wie ein Hund zu leiden: „Wir haben unter ihm gelitten. Wir wollen jetzt nicht auch noch für ihn leiden.“

Geber sind das genaue Gegenteil: Sie geben, ohne darüber nachzudenken, ob irgendwann etwas zurück kommen wird. Damit folgen sie langfristig dem Reziprozitätsgesetz. Wer von anderen Hilfe oder etwas geschenkt bekommt, möchte dies wieder gut machen, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet. Es mag sein, dass dies lange dauert. Doch für die meisten Menschen sind offene Rechnungen unangenehm. Kaufe ich etwas ein, ist der Vorgang damit in der Regel abgeschlossen. Netzwerke jedoch funktionieren nach der Geschenkökonomie. Langfristige, tragfähige Verbindungen entstehen am besten, indem ich vorbehaltlos gebe.

Tauscher schließlich sind Menschen, die bereits im Akt des Gebens an eine Wiedergutmachung denken. Ich helfe jemandem beim Umzug und stelle im Kopf bereits eine Rechnung aus oder erwarte wenigstens eine Pizza am Abend. Damit zerstören sie jedoch die unsichtbare Verbindung zwischen Geber und Empfänger. Dabei könnte aus der Pizza am Abend eine Einladung zur Einweihungsparty werden, wenn ich vertrauensvoll und geduldig abwarte.

Von diesem Grundsatz lassen sich einige weitere Haltungen ableiten, insbesondere ehrlich, authentisch und integer zu sein, Lob annehmen zu können und Netzwerktreffen nicht als Pflicht, sondern als etwas zu sehen, das Spaß macht. Das beste Netzwerken geschieht ohnehin nebenher, auf Partys, Betriebsausflügen oder in Seminaren. Waren Sie jemals auf einem dezidiert ausgeschriebenen Netzwerktreffen? Ich war vor Jahren auf einem Xing-Treffen, mit kleinen runden Stehtischen, Elevator-Pitch und „lustigen“ Kennenlernspielchen. Einmal und nie wieder. Früher hätte ich von mir behauptet, dass ich kein Netzwerker bin, wenn ich solche Treffen nicht ausstehen kann. Weit gefehlt. Ich bin durchaus ein Netzwerker, wenn auch nicht so gut wie meine Frau. Allerdings mag ich es nicht, wenn der Verkauf einer Leistung im Vordergrund steht. Das fühlt sich für mich nach Anbiederung an. Stattdessen waren Partys zu Beginn meiner Selbständigkeit eine gute Plattform: „Ach so, du gibst auch Zeitmanagement-Trainings. Mensch, dann rufe ich dich nächste Woche mal an.“ Ich hatte das nie geplant. Ich bin kein Vertriebler. Es ist einfach passiert. Und würde auch heute noch passieren. Als Coach und Mediator sehen viele meiner Bekannten in mir eine Art Psycho-Handwerker. Genauso wie es auf jeder Party jemanden gibt, der eine Wand zu streichen hat, gibt es auch jemanden, der einen Streit hat oder vor einem schwierigen privaten oder beruflichen Gespräch steht. Mittlerweile trenne ich das Private vom Beruflichen sauberer. Zu Beginn war es jedoch eine gute Möglichkeit, überhaupt einen Fuß in die Tür zu bekommen und Erfahrungen zu sammeln.

Schließlich spielt auch die Geduld beim Geben und Zurück-Bekommen eine große Rolle. Zu Beginn meiner Selbständigkeit lernte ich einen Mediator-Kollegen aus München kennen. Wir trafen uns ein mal am Rande eines Seminares von ihm bei mir in der Nähe, fanden uns sympathisch und planten gemeinsam Vorträge und Seminare in einem Friseursalon. Warum und weshalb es ausgerechnet ein Friseursalon sein sollte, weiß ich nicht mehr. Dazu kam es zwar nie – oh Wunder! Dafür landete er Jahre später bei einem großen Bildungsanbieter und fragte mich, ob er mich seinen neuen Kolleg*innen vorstellen soll. Dieser Bildungsanbieter ist mittlerweile mein größter Auftraggeber.

Und was tun, wenn Sie das Gefühl haben, von Nehmern ausgenutzt zu werden? In diesem Fall hilft Ihnen die Tit-for-Tat-Regel. Tit-for-Tat lässt sich grob mit Wie-du-mir-so-ich-dir übersetzen. Im Prinzip besteht die einzige Strategie darin, sich seinem Gegenüber anzupassen. Spielt Ihr Gegenüber fair, sind Sie auch fair. Spielt er unfair, sind Sie auch unfair. Sie gewähren ihm jedoch zu Beginn einen Vertrauensbonus. Tit-for-tat ist eine sowohl einfache als auch erfolgreiche Verhandlungsstrategie:

  • Arbeiten Sie zum ersten mal mit einem neuen Kooperationspartner zusammen, begegnen Sie ihm mit Wohlwollen und Vertrauen. Vertrauen ist immer eine Vorschussleistung. Andernfalls wäre es kein Vertrauen, sondern Wissen oder Erfahrung.
  • Sollte Ihr Gegenüber Ihren positiven Erwartungen entsprechen, haben Sie keinen Grund, sich anders zu verhalten.
  • Sollte Ihr Gegenüber Sie enttäuschen, schwenken Sie auf einen konfrontativen Kurs um: Sie kontrollieren nach, lassen sich Vorgehensweisen erklären und verdeutlichen Ihre Erwartungen. Nicht nachtragend, aber klar und deutlich. Meist reicht dies bereits aus, um bei ihrem Gegenüber eine Verhaltensänderung zu bewirken.
  • Wird Ihr Gegenüber daraufhin zu einem zuverlässigen Kooperationspartner, verhalten Sie sich wieder vertrauensvoll und wohlwollend.
  • Kommt es abermals zu einem Vertrauensbruch, werden Sie wieder konfrontativ. Usw.

2. Persönliches Auftreten

Eng verbunden mit der inneren Haltung ist das persönliche Auftreten, an dem sich festmachen lässt, ob andere mich unterstützen werden oder nicht. Doch auch hier gilt logischerweise, mutig den ersten Schritt zu machen, empathisch und neugierig auf das Leben und die Arbeit anderer Menschen und offen zu sein für fremde Biographien. Dabei müssen Smalltalks beileibe nicht langweilig sein, wenn Sie interessante Fragen stellen:

  • Was bringt Sie hierher?
  • Was brachte Sie dazu, … zu machen?
  • Was begeistert und inspiriert Sie derzeit?
  • Wollen Sie der Welt etwas zurückgeben? Wenn ja, was?
  • Was ist Ihnen an einer Zusammenarbeit wichtig?
  • Wie gehen Sie mit einem Scheitern um?
  • Wie definieren Sie Erfolg?

Sollte Ihnen das zu offensiv sein, arbeiten Sie mit „Haken“, indem Sie gezielt Informationen streuen, an denen Ihr Gegenüber anbeißen kann. Sie können in einem Vortrag eine Frage stellen: „Als jemand, der gerade auf der Suche nach … ist, wollte ich Sie fragen …“. Oder Sie erwähnen in einem Gespräch eine Information von sich, die für Ihr Gegenüber Interessent sein könnte: „Ich schreibe gerade ein Buch über … und überlege mir …“. Oder: „Letztes Jahr waren wir auf CorsiKa campen …“.

Dass empfangene Unterstützungen zurückgegeben werden sollte Ehrensache sein. Ebenso klar sollte es sein, dass betteln, jammern oder lästern nicht zum guten Ton gehören. Womit sich jedoch manche Menschen schwertun – ich leider auch – ist das Annehmen von Hilfe oder Rat. Auch wenn wir vorhin feststellten, dass Geben seliger als Nehmen ist, wirkt es auf Dauer seltsam, wenn jemand nur gibt und jede Hilfe ablehnt. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht und letztlich auch eine Abhängigkeit von der gebenden Person. Es ist kein Zeichen von Stärke, wenn ich Hilfe nicht nötig habe, sondern ein Zeichen innerer Schwäche, Hilfsangebote abzulehnen.

Im Rahmen meiner ersten Coaching-Ausbildung vor vielen Jahren bildeten sich Paare, um sich gegenseitig zu coachen. Zu Beginn eines jeden Treffens stand die Frage im Raum, wer ein Anliegen hat. Ich liebte es, andere zu begleiten. Hatte jedoch selten ein Anliegen. Deshalb war ich meistens der Coach. Ich dachte – in meiner Naivität – ich würde etwas Gutes tun, wenn ich anderen dabei half, ihre Probleme zu lösen. Damit ergab sich jedoch nicht nur ein Ungleichgewicht, sondern auch ein Misstrauen, weil meine damalige Gesprächspartnerin weniger über mich wusste als ich über sie. Dies führte dazu, dass sie keine Treffen mehr mit mir wollte. Im Nachhinein weiß ich, dass mein Problem nicht darin bestand, keine Anliegen zu haben. Sondern darin, keine Schwäche zeigen zu können. Wer immer nur hilft, zeigt seinem Gegenüber, wie stark er ist. Er zeigt ihnen aber auch, wie schwach sie selbst sind. Deshalb macht es andere auch stark, wenn wir sie um Hilfe bitten.

3. Organisationskompetenz

Zuguterletzt muss ein großes Netzwerk organisiert werden. Deshalb ist es wichtig, sich bereits beim Aufbau seines Netzwerks klar zu machen, welche Ziele ich verfolge. Die meisten Netzwerker*innen sammeln ihre Kontakte wahllos und wundern sich später, dass sie mit einem wild zusammen gewürfelten Haufen an Menschen nicht viel erreichen. Deshalb verpuffen Anfragen im Netzwerk häufig beziehungsweise funktionieren erst bei einer sehr hohen Anzahl von Kontakten aufgrund der schieren Masse. Sinnvoller ist es, bei einem Anliegen den direkten Kontakt zu suchen oder – wie in Xing – sein Netzwerk in kleine Gruppen zu unterteilen. Und dass Kontakte gepflegt werden müssen, sollte eine Binsenweisheit sein, beispielsweise mit Weihnachts- oder Geburtstagsgrüßen. An der Stelle bin ich persönlich leider oft zu schludrig. Dennoch: „Die beste Zeit einen Baum zu pflanzen war vor zwanzig Jahren. Die zweitbeste Zeit ist jetzt.“ (Sarah Lesch) Das gilt auch für die Netzwerkpflege. Außer Sie sind bereits 80 Jahre alt. Dann wird die Zeit langsam knapp.

Dieser Artikel wurde in leicht veränderter Form aus dem eBook „Wie kompetent muss ich sein?“ (externer Link) entnommen.

Netzwerken in einer hybriden Welt, Teil 1 (von 5)

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Warum Netzwerke heutzutage wichtiger sind denn je

Heutzutage ist alles fließend. Sogar einem eigenen konstanten Selbst oder einer konstanten Identität steht die Postmoderne skeptisch gegenüber. Schließlich wollen die wenigsten in eine Zeit zurück, in der von Geburt an das gesamte Leben bestimmt war. Zudem erfordert eine persönliche Weiterentwicklung Mobilität. Deshalb misstraut der postmoderne Mensch seinen Bindungen. Sie könnten zu enge Erwartungen an ihn stellen und ihn zu sehr festlegen. Gleichzeitig wird der Mensch erst zum Menschen durch Beziehungen, indem er einen Bezug zu etwas oder jemanden nimmt. Was wäre ich ohne Coach, Mediator, Trainer, Autor, Vater, Liebhaber oder Freund zu sein? Was bliebe von mir übrig? Ein Mensch mit Ansprüchen, einem Antrieb, einem Überlebenswillen, einer Neugier? Aber wofür? Für mich alleine? Natürlich nicht.

Dass wir andere Menschen brauchen, lässt sich auch in nackten Zahlen darstellen: Gut integrierte Menschen haben ein 50% niedrigeres Sterberisiko. Ein verlässliches Netzwerk ist sogar wichtiger für unsere Gesundheit als die Risikofaktoren, mit denen sich Gesundheitspolitiker*innen normalerweise beschäftigen wie Rauchen, Übergewicht, Alkoholmissbrauch, mangelnde Bewegung, Bluthochdruck oder Luftverschmutzung.

Kein Wunder, dass Groß-Britannien 2023 ein Einsamkeitsministerium ins Leben rief und es auch in Deutschland Bestrebungen gibt, sich diesem Thema anzunehmen. Ob nicht stattdessen eine Aufwertung unserer Innenstädte die bessere Lösung für sich selbstorganisierende Beziehungen wäre, ist eine andere Frage.

Wir brauchen andere Menschen, um uns und unser Selbst zu definieren. In diesem Sinne sind Netzwerke – mal verbindlich, mal unverbindlich – die ideale Antwort auf postmoderne Beziehungsskeptiker. Lose Netzwerke lösen in immer stärkerem Maße feste Mitgliedschaften in Organisationen, Vereinen oder Parteien ab. 1990 waren noch 62% Mitglied in einem Verein, 2007 waren es nur noch 47%, 2030 werden es laut dem Zukunftsforscher Horst Opaschowski nur noch 30% sein. Netzwerke werden daher immer wichtiger.

Verschiedene Typen von Netzwerken

Dabei lassen sich drei Prototypen von Netzwerken unterschieden:

  • In Beziehungsnetzwerken werden private oder berufliche Kontakte gepflegt. Private Kontakte dienen der Resilienz sowie als Sicherheitsnetz oder dem Informationsaustausch. Berufliche Netzwerke dienen der Förderung von Karrierechancen, der Kundengewinnung oder Jobsuche.
  • Informations- und Wissensnetzwerke dienen dem reinen Informations- und Wissensaustausch. Solche Netzwerke können sich natürlich mit Beziehungen überlappen. In einer digitalen Welt kennen wir jedoch in der Regel nicht alle Teilnehmer*innen eines Telegram- oder Twitterkanals, sodass hier die Informationen im Vordergrund stehen. Oft handelt es sich dabei um einseitige Netzwerke, in denen die Informationen in eine Richtung fließen, beispielsweise von Influencern zu den Followern.
  • Kreativitätsnetzwerke verstehen sich als Steigerung der Informationsnetzwerke und funktionieren in beide Richtungen: Der Sender ist ebenso Empfänger und der Empfänger Sender. Auch hier stehen Beziehungen nicht an oberster Stelle. Stattdessen werden Probleme diskutiert und gelöst, um gemeinsam kreativer zu sein und Ressourcen zu sparen.

Alle drei Netzwerktypen überlappen sich meist. Dennoch stellt sich die Frage, welcher Netzwerktyp im Vordergrund steht. So werden in einem privaten Freundenetzwerk selbstredend auch Informationen ausgetauscht. Ebenso kann ein Freundenetzwerk dazu dienen, in der Not Hilfe zu bekommen oder schneller an einen neuen Job nach einer Kündigung zu kommen. Und berufliche Netzwerke beispielsweise auf Linkedin sind der ideale Weg, an Kunden zu kommen oder Ideen für ein gemeinsames, kreatives Projekt auszutauschen.

Fakt ist: Netzwerke machen nicht nur gesund, sondern fördern auch die Karriere. Tatsächlich investieren durchschnittliche Manager 19%, erfolgreiche Manager jedoch 48% in ihre Netzwerkarbeit. 46% der Stellenbewerber*innen aktivieren ihr Freundesnetzwerk bei der Stellensuche. 25% erfahren von offenen Stellen über berufliche Kontakte, 23% über Karrieremessen. Und 54% der Einstellungen finden aufgrund von Empfehlungen statt.

Dieser Artikel wurde in leicht veränderter Form aus dem eBook „Wie kompetent muss ich sein?“ (externer Link) entnommen.