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Mit Flow und Spielen gegen Belastungen

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Wie ein Flow-Erleben entsteht

Der Begriff Flow wird meist mit einer hochkreativen Tätigkeit in Zusammenhang gebracht: Ich habe einen Lauf. Oder: Wir sind in einem Team-Flow.

Voraussetzungen für einen Flow sind nach Mihalyi Csikszentmihalyi:

  • Die Aufgaben passen zu meinen Kompetenzen.
  • Ich bin ungestört.
  • Ich verfolge klare Ziele und Meilensteine.
  • Ich weiß, was ich zu tun habe, um Meilensteine und Ziele zu erreichen.
  • Ich bekomme positive Rückmeldungen, am besten automatisch.

Sportler haben oft Flow-Erlebnisse, wenn bspw. ein Kletterer seine Kletterroute an seine Fähigkeiten anpasst, leicht steigert, sich ein klares Ziel für die nächsten Stunden setzt und sofort die Rückmeldung bekommt, ob seine Griffe funktionieren.

Spiele fördern das Flow-Erleben

In der Übertragung dieser Prinzipien auf andere Tätigkeiten, insbesondere die Arbeit, geht allerdings das Spiel-Element eines Flow oft gedanklich verloren. Dabei hat Flow viel mit Spielen zu tun. Anders formuliert: Ein Aufgehen in spielerischem Tun fördert das Flow-Erleben.

Neben den oben genannten Voraussetzungen eines Flow-Erlebens zeichnen sich Spiele zusätzlich durch klare Regeln, räumliche und zeitliche Beschränkungen aus:

  • Spiele dauern in der Regel eine klar definierte Zeit, teilweise sogar bis auf die Sekunde genau, wenn es um Wettkämpfe geht.
  • Spiele sind idR. räumlich begrenzt, sei es nun ein Spielfeld oder der Tisch für ein Brettspiel.
  • Spiele werden nach klaren Regeln gespielt. Wer dagegen verstößt, ist ein Spielverderber.

Auf den ersten Blick führt das oftmals starre Regelwerk eines Spiels durch seine Beschränkungen zu einem Ausschluss-Charakter: Nur wer die Regeln kennt, darf mitspielen. Und wer innerhalb der Regeln seinen Weg findet, spielt ganz oben mit.

Auf den zweiten Blick offenbart sich die wahre Faszination von Spielen: Während in der realen Welt (beinahe) alles möglich ist, was manche Menschen überfordert, schaffen spielerische Regelwerke Grenzen, in denen sich die Menschen sicher fühlen. Natürlich gibt es auch in der realen Welt Regeln. Diese sind jedoch meist unbewusst in Form von Tabus. Sicherlich, wer einen anderen Menschen umbringt oder eine Handtasche klaut und erwischt wird, kommt vor Gericht. Unser sozialer Alltag ist jedoch eher durch eine Vielzahl unklarer Regeln definiert:

  • Was muss ich tun, um akzeptiert zu werden?
  • Was darf ich bei meinen Kolleg*innen auf keinen Fall sagen?
  • Was kann ich tun, um meinen sozialen Status zu erhöhen?

Der reale Alltag ist geprägt durch Versuch-und-Irrtum-Handlungen. In Spielen wiederum machte sich jemand die Mühe, die Spielregeln ein für alle mal zu definieren.

Genau diese Klarheit darüber, was ich darf (bzw. kann) und was nicht, fördert ein Flow-Erleben. Übertragen auf einen Kletterer:

  • Ich kenne meine Fähigkeiten, meine Kräfte und Grenzen.
  • Ich konzentriere mich für heute Nachmittag auf das „Spielfeld“ dieses einen Felsen.
  • Ich akzeptiere in dieser Zeit nur die Rückmeldungen meines Kollegen oder des Felsen.
  • Ich kenne wichtige Taktiken und Techniken, um voran zu kommen.

Flow und Spielregeln im Umgang mit Belastungen

Solche Strategien des Flow lassen sich auch in Situationen einsetzen, die vermeintlich nichts mit Spielen zu tun haben:

  • Ein Kassiererin nimmt sich vor, ein Gedächtnis für Stammkunden anzulegen.
  • Ein Straßenkehrer nimmt die Geräusche der Stadt als Rhythmus wahr, in dem er seine Tätigkeiten verrichtet.

Es ist also möglich Spiel- und Flow-Strategien im Umgang mit Stress anzuwenden, indem ich meine Wahrnehmung zeitlich und inhaltlich fokussiere und mir spielerische Aufgaben und Ziele setze.

Diese Vorgehensweise ist mit der Zusammensetzung eines Puzzles vergleichbar: Für die nächsten 10 Minuten teste ich an einer bestimmten Stelle alle Himmel-Puzzle-Teile mit einem Knubbel nach links. Genauso kann ich mir in Belastungssituationen vornehmen, mich voll und ganz auf eine Sache zu konzentrieren.

Die Regeln dazu lauten: Nicht an den nächsten Termin denken. Nicht an heute Abend. Nicht an die ebenfalls überlasteten Kolleg*innen. Sondern nur noch an diesen einen kleinen Bericht, auf den ich mich gerade so schlecht konzentrieren kann. Und vielleicht denke ich mir dazu noch ein paar extra Spielregeln aus:

  • Mal sehen, ob ich es schaffe, mehr Verben als Adjektive zu benutzen.
  • Interessant wäre es auch, zu jedem Abschnitt genau 10 Zeilen zu schreiben.
  • Oder ich könnte in jeden Abschnitt ein Wort verstecken, das dort eigentlich nicht hineinpasst. Ob das später jemand entdeckt?
  • Dazu stelle ich mir einen Wecker auf genau eine Stunde.
  • Oder ich vereinbare mit einer Kolleg*in einen Berichte-Wettbewerb: Wer langsamer ist, zahlt das Mittagessen.

Literatur

Mihalyi Csikszentmihalyi: „Flow“ und „Flow im Beruf“

Gregor Hasler: Resilienz: Der Wir-Faktor

Lebendigkeit in der Arbeit

Lebendigkeit ist ein ungewohnter Begriff in der Arbeit. Meist wird über Engagement, Motivation oder Agilität gesprochen. Oder im Negativen über das Fehlen von Lebendigkeit bei einem Burn-out. Für diesen Artikel übertrage ich das Resonanz-Konzept des Soziologen Hartmut Rosa auf die Arbeitswelt. Denn auch hier sollten wir uns im Sinne von New Work und Agilität lebendig fühlen.

Rosa unterscheidet drei Ebenen der Resonanz mit dem Umfeld:

  1. Die Beziehung zu Objekten. Dies sind in der Arbeit die zu erledigenden Aufgaben.
  2. Die Beziehung zur Welt. Damit lässt sich die Arbeitswelt ansich beschreiben mitsamt den Regeln, Werten und Ritualen.
  3. Die Beziehung zu Kolleg*innen.

Um zu ergründen, ob ich mich in meiner Arbeit lebendig fühle, d.h. nach Rosa in Resonanz mit ihr stehe, unterscheidet er drei Elemente, die zu einer zentralen Schlussfolgerung führen:

  1. Etwas oder jemand muss eine Bedeutung für mich haben und damit ein Interesse auslösen. Das muss nicht unbedingt positiv sein. Es kann sich auch um Ärger handeln.
  2. Ich muss einen Einfluss darauf haben. Hier geht es nicht um die Ausübung von Kontrolle, sondern darum meinen Beitrag zu einer Veränderung leisten zu können.
  3. Dieses Etwas oder Jemand sollte auch etwas in mir anregen. Es sollte mich beeinflussen und damit transformieren bzw. zu einer Veränderung bei mir führen, mich also weiterentwickeln.
  4. Dies führt zu der logischen Schlussfolgerung, dass dieses Etwas oder dieser Jemand halbverfügbar sein sollte. Es sollte eine Lücke des Noch-nicht-ganz-Verstehens übrig bleiben, um den Reiz einer Beschäftigung damit aufrecht zu erhalten. Aus dem Neuromarketing gibt es ähnliche Erkenntnisse: Eine Werbung, die wir bereits kennen oder von der wir genau wissen, was passieren wird, schauen wir nicht mehr an. Sie reizt uns nicht. Eine Werbung jedoch, die mit etwas Seltsamem beginnt, zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich.

Was bedeutet dies nun für die oben genannten drei Ebenen der Resonanz:

  1. Auf der Ebene der Arbeitsaufgaben als Objekte gilt es, sich als Mitarbeiter*in grundsätzlich ein wenig mehr zuzumuten als die eigenen Fähigkeiten erlauben. Auch Chef*innen sollten Mitarbeiter*innen nicht nur nach ihrem bereits vorhandenen Können, sondern nach einem Fast-Können bedienen. Damit lässt sich das Flow-Prinzip von Czikzentmihaly verfeinern, das vorgibt, dass Kompetenzen und Anforderungen in einem guten Einklang sein sollten. Ab und an ist es jedoch wichtig, dass die Anforderungen die Kompetenzen leicht übersteigen, um sich weiterzuentwickeln und ab und an ist es ebenso wichtig, mit den eigenen Kompetenzen leicht über den Anforderungen zu stehen, um sich zu erholen. Es geht also um ein dynamisches Verhältnis zwischen einer leichten Über- und einer leichten Unterforderung. Vor allem die leichte Überforderung lässt Mitarbeiter*innen sich lebendig fühlen. Sie arbeiten sich an einer Aufgabe ab, nehmen Einfluss und entwickeln sich weiter.
  2. Auf der Ebene der Arbeitswelt geht es um die Auseinandersetzung mit Regeln und Werten am Arbeitsplatz. Sehen Mitarbeiter*innen einen Sinn in den Regeln und Werten des Unternehmens? Die Werte und Regeln bestimmen natürlich ihre Arbeit. Aber haben sie auch einen eigenen Einfluss auf die Regeln und Werte des Unternehmens? Können Sie überkommene oder nicht-sinnvolle Regeln und Werte an die aktuelle Arbeitswirklichkeit anpassen und damit verändern? Bekommen sie zumindest Gehör für Ihre Meinungen und Ideen?
  3. Auf der Ebene der Beziehungen gilt es zu akzeptieren, dass niemand in unserem Umfeld zu 100% verfügbar und damit kontrollierbar ist. Die Spannung und damit auch Lebendigkeit in Arbeitsbeziehungen ergibt sich erst aus der Halbverfügbarkeit, die wir durch respektvolle Dialoge auflösen können.