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Machen uns Werte glücklich?

Derzeit stelle ich mir immer mal wieder die Frage, warum viele Menschen so gestresst sind. Sicherlich: Die Arbeitsbelastung ist hoch. Aber vielleicht liegt es auch an einer Welt, in der alles möglich erscheint und gleichzeitig viele nicht so recht wissen, wo es eigentlich in ihrem Leben hingehen soll. Mehr noch: Wohin driftet die Welt? Wer in den Medienwald blickt, stößt allerorten auf Unzufriedenheit und Ratlosigkeit: Die Regierung ist (mal wieder) die Schlimmste, die wir jemals hatten. Der Krieg in der Ukraine ist omnipräsent. Und das Klima ist ohnehin nicht mehr zu retten. Bald sind wir alle tot, könnte man meinen. Also flüchten wir uns in einen Hedonismus, der uns lediglich ablenkt, jedoch keine neue, positive Energie bringt. An dieser Stelle könnte uns eine klarere Ausrichtung an Werten helfen.

Lust- versus Werteorientierung

In einer Studie von Todd Kashdan u.a. wurde der Einfluss von Werten auf unsere Zufriedenheit untersucht. Dazu sollten Teilnehmer*innen ein Tagebuch führen, in denen sie ihre täglichen Aktivitäten verschriftlichten. Kashdan untersuchte daraufhin, ob es sich dabei um hedonistische (lustorientierte) oder eudämonische (werteorientierte) Tätigkeiten handelte. Eine hedonistische Tätigkeit wäre beispielsweise Essen gehen, eine eudämonische ein Fest für Freunde organisieren. Gleichzeitig sollten die Teilnehmer*innen ein tägliches Fazit ihrer Zufriedenheit ziehen.

Das Ergebnis war eindeutig: Wer mehr Tätigkeiten nachgeht, die auf persönlichen Werten beruhen, ist glücklicher als Menschen, die lediglich ihrer momentanen Lust folgen.

Der Wertekompass

In diesem Sinne sind Werte wie ein Kompass, der uns über schwierige Situationen hinaus eine Orientierung im Leben bietet. Gegenüber konkreten Zielen leitet uns ein Kompass lediglich in die richtige Richtung. Auf dem Weg zum Ziel kann jedoch so viel passieren, dass sich das vermeintliche Ziel verändert. Damit verhindern wir den tiefen Fall in ein emotionales Loch nach Erreichen eines Ziels, weil wir auf der Basis unserer Werte immerwährend neue Ziele entwickeln können. Wer einmal im Jahr ein großes Fest für Freund*innen und Bekannte organisiert, um ihnen für ihre Freundschaft zu danken und gemeinsam eine verbindende Zeit zu verbringen, weiß genau, dass er dies nächstes Jahr wieder machen wird.

Wie also könnten solche Werte in unserem Kompass aussehen – in der Mindmap bezogen auf Arbeit und Zusammenarbeit?

  • Wir könnten uns an Gesundheit orientieren, um auch in Zukunft fit und leistungsfähig zu sein. Dies impliziert einen achtsamen Umgang mit sich und anderen.
  • Wir könnten als Maxime unserer Arbeit aufstellen, die Welt mit unseren Produkten und Dienstleistungen ein klein wenig schöner zu machen, beispielsweise indem wir auf hochwertige und langlebige Materialien achten.
  • Wir könnten die Leistungen unserer Mitarbeiter*innen anerkennen und öffentlich ehren.
  • Wir könnten darauf achten, uns mit Toleranz und Respekt zu begegnen.
  • Es könnte uns wichtig sein, gleiche Karriere-Chancen für alle herzustellen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, etc.
  • In der Abgrenzung zur Gleichheit könnten wir auch wert darauf legen, dass mehr Leistung fairerweise mehr belohnt wird.
  • In puncto Loyalität ist es denkbar, Team- und Unternehmensbelange wieder höher anzusiedeln als Einzelinteressen. Ein Punkt, der in letzter Zeit in meinen Seminaren immer wieder als aktuelles Manko genannt wird.
  • Damit folgt auch die Solidarität auf den Fuß, indem wir uns auf die Fahnen schreiben, uns insbesondere in Krisenzeiten gegenseitig zu unterstützen, anstatt dass jede*r nur an sich selbst denkt.
  • Dazu braucht es auch die Ehrlichkeit und Offenheit, Fehler und Schwächen anzusprechen, um angemessen damit umzugehen.
  • Und schließlich braucht es die Freiheit, in unklaren Situationen Entscheidungen zu treffen, deren Folgen sich noch nicht abschätzen lassen, ohne im Nachhinein auf vermeintlichen Fehlentscheidungen herumzureiten.

Die konkrete Umsetzung mit Werten

Viele Unternehmen geben mittlerweile Wertekataloge im Rahmen von Führungsleitlinien vor. Das ist zwar einerseits gut und richtig. Andererseits jedoch oft schwer, im Alltag zu implementieren. Umso wichtiger ist es, sich als Führungskraft selbst Gedanken über seinen eigenen Wertekompass zu machen. Was also ist Ihnen von den oben genannten Werten wichtig? Wie wichtig auf einer Skala von 0-10 sind Ihnen die Werte? Dabei können (und sollen) diese Werte auch sehr gut im Team diskutiert werden.

Zum zweiten stellt sich die Frage nach der konkreten Umsetzung. Was bedeutet es, dass mir die Gesundheit meiner Leute wichtig ist? Will ich in Zukunft als Führungskraft mehr auf eine mögliche Überlastung meiner Mitarbeiter*innen achten? Will ich im Zweifelsfall nachfragen, wie es ihnen geht? Will ich besonders Überlastete nach Hause schicken?

Analog zum Gesundheitsbeispiel lassen sich alle Werte durchgehen und konkretisieren, wobei es häufig ein guter Zwischenschritt ist, sich Fragen zu den Werten zu überlegen bzw. gemeinsam mit dem Team zu erörtern:

  • Was bedeutet für uns Gleichheit und Gerechtigkeit?
  • Wie viel Gleichheit ist sinnvoll und ab wann sollte es gerecht zugehen?
  • Wie viel freie Entscheidungen sind in unserem Bereich möglich und wo liegen die Grenzen, beispielsweise wenn die Konsequenzen einer freien Entscheidung andere zu tragen haben? Usw.

Fakt ist: Werte bieten uns insbesondere in agilen Zeiten eine ideale Orientierung, weil sie zwar einerseits klar definieren, was uns wichtig ist und wo es hingehen soll, andererseits jedoch stets flexibel bleiben und immer wieder angepasst werden können. So kann es in Krisenzeiten oberste Priorität sein, sich gegenseitig zu unterstützen und sich loyal zu seinem Team zu verhalten, während die Ehrung von Leistungen eher hinten an steht. Diese kann in „normalen“ Zeiten wieder wichtiger werden.

Über Glück, Kontrolle, Gestaltung und Loslassen

Im Anblick des Chaos in der Welt, der aufploppenden Populisten, des Vertrauensverlusts der Menschen in die etablierte Politik und der Wut und Nervosität, die einem allerorten entgegenschwappt, kommt es mir so vor, als stünde ein Teil von uns bereits mitten in der Apokalypse, während ein anderer Teil bereits mit dem Leben abgeschlossen hat. Goodbye Abokalypse. Tschüss sorgloses Leben. Auf Nimmerwiedersehen lebenslange Verbindungen zu Frau, Partner, Freunden, Arbeit und Partei. Herzlich Willkommen Ungewissheit! Mach es dir bequem auf meinem Sofa. Der Platz neben mir wurde gerade eben frei.

Der einfachste Weg erscheint das Ersetzen des einen Gottes durch einen anderen. Diesen alten Brauch praktizierten nicht nur die Römer, sondern auch die Christen. Den neuen Glauben ohne eine mystische weibliche Göttin zu beginnen, erschien den Urchristen gar zu dreist. Heilige Maria, Mutter Gottes, etc.

Doch wir leben in spannenden Zeiten, in denen es nicht mehr reicht, die Karotte des Esels gegen eine Zuckerrübe auszutauschen, damit er sich endlich bewegt. Die Digitalisierung hat auch ihre schönen Seiten. Sie zwingt uns zur Bewegung. Was also tun, wenn die alten Götter nichts mehr taugen und die neuen sich bereits in den ersten Wochen zerfleischen?

Die Gehirnforschung sagt: das Gefühl der Kontrolle beruhigt. Anders formuliert: Kontrollverlust macht unglücklich. Doch Kontrolle funktioniert nicht. Die Welt dreht sich so schnell, dass uns schwindelig wird. Der Markt, die Produkte, die Technik, die Ideen. Gestern noch hip, heute schon out. Gestern noch pleite, heute Marktführer, siehe Tesla.

Keine Kontrolle im Außen, keine Kontrolle im Innen. Da hilft wohl nur noch Vertrauen. Vertrauen in sich selbst. Glück und Vertrauen sind jedoch Prozesse, die nicht wählbar sind und die es nicht auf dem Jahrmarkt zu kaufen gibt.

Der Weg zum Vertrauen in sich selbst beginnt damit, zu erkennen, dass ich eine Wahl habe. Dass ich sofort kündigen, mich trennen könnte und eine weitere Ausbildung machen könnte. Dass ich wütend, traurig, engagiert, zufrieden oder sogar glücklich sein könnte. Der Schlüssel zum Glück beginnt damit, diese Möglichkeiten wahrzunehmen. Doch wie leicht fällt es uns wohl, unsere Potentiale zu erkennen, wenn wir sie all die Jahre noch nicht nutzten? Und wie leicht fällt es uns dagegen, ja zu sagen zu unserem bisherigen Leben und damit das Neue nicht einmal zu denken? Jedem motivierten Handeln geht ein Denken voraus. Dass mein Handeln Konsequenzen hat ist logisch. Doch ohne ein Denken in Möglichkeiten macht es keinen Sinn, ins Handeln zu kommen. Das vielleicht Unmögliche zu denken gilt es folglich auszuhalten.

Der nächste Schritt zum Vertrauen in sich selbst ist die Erkenntnis, dass wir niemals nur das eine oder andere tun, sondern immer beides. Wer kündigt, verliert nicht seine alte, sondern strebt eine neue Arbeit an. Wer sich trennt, macht sich frei für neue Verbindungen. Wer wütend ist, erlaubt sich, seine Wut anderen zu zeigen, die vielleicht ganz anders reagieren als ich zuvor dachte. Wir können in Möglichkeiten denken und sollten auf die Konsequenzen gefasst sein. Was wirklich passieren wird, wissen wir nicht.

Nach der Auseinandersetzung mit meinen Möglichkeiten gilt es, Licht ins Chaos zu bringen und auszusortieren: Was kann ich wirklich und was nicht? Was will ich und was nicht? Die Suche nach Ordnung ist ein langwieriger, Jahre dauernder Prozess. Ich werde vieles ausprobieren müssen, um zu wissen, dass es das nicht ist. Die Geduld und das Vertrauen, letztendlich das Richtige zu finden wird dabei auf eine harte Probe gestellt. Aus vielen Biographien lassen sich meist etwa 10 Jahre herauslesen, die benötigt wurden, ein Handwerk von der Pike auf zu lernen, bis sie die nötige Reife hatte, das zu tun, was Ihnen wichtig ist. Jean-Paul Belmondo verbrachte 10 Jahre seines Schauspielerlebens damit, „klassisches“ Schauspiel zu lernen, bis er auf Jean-Luc Godard traf. Von da an musste er keine Texte mehr lernen, sondern durfte improvisieren. Es ist fraglich, ob die Dialoge in „Außer Atem“ so großartig geworden wären, hätte es die 10 Jahre zuvor nicht gegeben.

Am Ende bleibt ein neuer Weg übrig, den ich weiterverfolge. Der Weg, der sich für mich am stimmigsten, sinnvollsten und lebendigsten anfühlt. Der Weg, in dem ich mich wiederfinde, der mich mit meinen Fähigkeiten schöpferisch und gestalterisch tätig werden lässt. Der Weg, in dem ich mich selbst und meine Entwicklung zum Maßstab nehme, bis ich meine persönliche Reife entdecke.

Eine Reife, von der aus ich stabiler in der Welt stehe und ohne Scheuklappen kommuniziere. Ohne Vorwürfe, Verurteilungen, Reue oder Selbstmitleid. Und ist es nicht eines der größten Geschenke der Welt, einem Menschen zu begegnen, der in sich ruht und mit sich selbst im Reinen ist? Eine Reife, deren Moral nicht aus Gesetzestreue erwächst, sondern dem tiefen inneren Verständnis eines Menschen für die Prinzipien des Lebens, ohne darübersozialisierte Schichten. Geboren aus der Sehnsucht nach Verbindung, Liebe, Tiefe, Wärme, Einzigartigkeit, Sinnhaftigkeit und Lebendigkeit – und vielleicht einem Schuss Kantschem Imperativ.

Wenn ich all das realisiere und auf mein Leben zurückblicke, weiss ich: Ich habe vieles gesehen, das für mich wichtig war. Ich kenne mich und das Leben. Ich habe Dinge ausprobiert, die ich nicht mehr brauche, andere, die ich nicht missen möchte und wieder andere, die ich immer noch weiterverfolge. Die Popkultur proklamiert verkürzt: Einen Scheiß muss ich! Die Lang-Version davon lautet: Ich muss niemandem mehr(!) etwas beweisen. Ich muss überhaupt nichts mehr. Und alles, was ich fortan tue, will ich genau so. Gibt es einen höheren Moment des Glücks, als diesen Zustand zu empfinden?

Die Natur setzt sich keine Ziele

Die Natur geht nach der natürlichen Selektion vor. Umwelteinflüsse wie Hitze oder Kälte oder auch zufällige Sprünge führen zu Mutationen. Sofern diese Variationen ein Leben in der vorhandenen Umwelt leichter gestalten, setzen sich die Mutationen durch. Wenn nicht, sterben die kurzfristigen Mutanten aus.

Die Natur verfolgt keine Ziele in unserem Sinne. Sie verfolgt verschiedene Zwecke. Tiere oder Pflanzen entwickeln sich weiter und passen sich an, um zu überleben, mehr noch: um besser in die Umwelt zu passen. Um noch deutlicher zu werden: Nicht, um sich anzupassen – hier wurde Darwin häufig missverstanden – sondern, um mit den eigenen Fähigkeiten optimal in die Welt zu passen.

Um dies zu erreichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine davon lautet Kampf. Doch wer einmal kämpft, muss immer kämpfen, um oben zu bleiben. Wenn es ein Gesetz des Dschungels gibt, dann ist es wohl dieses. Eine andere Möglichkeit besteht in der Kooperation. Und Kooperation mit anderen ist eine enorm kräfte- und ressourcenschonende Sache. Der höhere Zweck des ganzen in der Natur lautet Fortpflanzung. Ein Zweck, der ohne Kooperation und Kommunikation schwer denkbar ist, wenn wir von gewalttätigen Varianten absehen.

Fassen wir zusammen: In die Welt passen, einen Platz finden, mit anderen kommunizieren, sich verbinden, sich fortpflanzen. So lauten die verschiedenen Zwecke in der Natur.

Wir Menschen hingegen setzen uns Ziele: Wir streben eine große Karriere an. Wir wollen glücklich sein. Wir wollen ein Haus bauen. Wir machen Erfindungen. Wir bauen Autos. Unsere Kinder sollen eine gute Ausbildung bekommen. Warum nicht?

Aber vielleicht sollten wir uns ab und an weniger Ziele setzen und darauf vertrauen, daß das banale Leben aus Kommunizieren, Lachen, Kooperieren und Lieben bereits Glück genug beinhaltet.

Input und Output

Umgang mit der Informationsflut

Im Zeitmanagement gibt es die Regel: An normalen Tagen, das heißt nicht in Einarbeitungsphasen, nach dem Urlaub oder nach einer Erkrankung, sollte die Menge der Informationsflut kleiner sein als der Output an Entscheidungen und Aktivitäten. Die vermeintlich banale Regel kann eine entscheidende Wirkung auf Ihren Umgang mit der täglichen Informationsflut haben. Sie kann zu eine Art innerer Kompass werden.

Da Menschen grundsätzlich das Bedürfnis haben, etwas zu erschaffen, das heisst, tätig zu werden, und sich nicht nur mit Informationen vollzufüllen, erscheint mir diese Regel auch über die Arbeit hinaus als wichtige Lebensmaxime: Mehr Eigenaktivitäten (die Erschaffung von ‚Kunst‘) und Kommunikation (die Erschaffung von gemeinsamen Gedankenwelten) machen sicherlich glücklicher als Fernsehen und Konsum.

Geben und Nehmen

Buchhinweis: Adam Grant – Geben und Nehmen

Das Vorurteil, Nehmer in Führungspositionen würden grundsätzlich besser fahren und schneller Karriere machen, scheint kaum auszurotten. Wie erfreulich ist da das Buch von Adam Grant, um genau dieses Vorurteil zu widerlegen. Es stimmt schon: Führungskräfte, die mehr auf den eigenen Vorteil bedacht sind machen tatsächlich schneller Karriere. Doch langfristig sieht die Sache anders aus wie diverse im Buch erwähnte Studien belegen. Denn die selbstloseren Geber arbeiten kontinuierlich an ihren Netzwerken und bauen damit soziale Beziehungen auf, die ihnen später helfen, in Führungspositionen zu kommen und v.a. diese auch zu halten. Dabei sind allerdings zwei Aspekte wichtig:

1. Die Geber dürfen keine Tauscher sein. D.h. sie dürfen nicht im Akt des Gebens bereits an eine Wiedergutmachung denken. Dies wird von der Gegenseite schnell erkannt und vergiftet entsprechend die soziale Atmosphäre.

2. Die Geber dürfen sich nicht aufopfern, sondern müssen die Balance zwischen Geben und der Grenze der eigenen Leistungsfähigkeit kennen und achten. Andernfalls werden sie zu Opfern skrupelloser Nehmer, was wenig attraktiv ist.

Ein absolut empfehlenswertes Buch!