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Sieben goldene Regeln für Online-Seminare

Letzte Woche hielt ich wieder einmal ein Online-Seminar für eine neue Gruppe. Dabei sind die Vorbehalte gegenüber Online-Trainings immer noch groß. Manche wollen einfach nicht für ein Seminar einen Tag lang in diese Kiste starren, wenn sie schon die ganze Woche über am Computer sitzen. Andere sind offensichtlich langweilige Seminare im Frontalunterrichtsstil gewohnt. Nach beinahe 2 Jahren ein Armutszeugnis für uns Trainer*innen. Am Ende des Tages waren meine Teilnehmer*innen jedenfalls (wie schon öfter) durchweg erstaunt, weil es nicht so langweilig war, wie sie dachten, und entsprechend hochzufrieden.

Darf ich mich jetzt selbst loben? Ich mache das jetzt mal wie mein Zahnarzt neulich: „Da hab ich wohl einen klasse Job gemacht! Eigenlob stinkt ja eigentlich. Aber bei einer Wurzelfüllung ist das erlaubt.“

Gut, Online-Seminare sind keine Wurzelbehandlung. Aber ein wenig knifflig ist es schon, die Aufmerksamkeit der Teilnehmer*innen einen Tag lang auf Distanz hoch zu halten. Kaffee, Kuchen und Smalltalk gibt es auch nicht.

Was also hab ich gemacht?

Ehrlich gesagt nicht viel. Denn entgegen mancher Meinungen sind Online-Seminare gar nicht so schwer. Hier kommen also meine 7 goldenen Regeln für Online-Trainings.

  1. Themenauswahl: Lassen sich alle Themen online durchführen? Jain. Normalerweise führe ich keine Kommunikations- und Konfliktmanagementtrainings durch. Ein Zwei-Tages-Gesprächsführungsseminar lässt sich jedoch gut zweiteilen. Am Online-Tag können Haltungen, Gesprächsabläufe oder Mitarbeiter*innentypen reflektiert werden. Am Präsenztag wird das Gelernte in die Praxis umgesetzt.
  2. Dauer: Ein Tag am Stück lässt sich gut und angenehm verbringen. Mehr jedoch nicht.
  3. Input: Ein Input-Block sollte nicht länger als 20 Minuten sein.
  4. Kein Aktivierungszwang: Nach meinem Input frage ich in die Runde, ob es Verständnisfragen gibt. Diskussionen finden gerade in einer neuen Gruppe meist nicht oder kaum statt. Ich kenne Trainer*innen, die sich darüber beklagen. Ich persönlich finde das nicht schlimm. Die Digitalisierung führt schließlich zu Distanz. Da ist es normal, dass keine richtige Diskussion im Plenum in Gang kommt. Das kommuniziere ich auch offen. In seltenen Fällen nutze ich die Wasserfallmethode (Beispiel: Wie geht es Ihnen gerade auf einer Skala von 1-10? In Chat eingeben und auf mein Kommando Return drücken).
  5. Kleingruppenreflexionen: Stattdessen teile ich beinahe gleich nach meinem Input die Gruppe in Kleingruppen ein. Zur Diskussion gibt es thematisch zu meinem Input Reflexionsfragen als Orientierung. Durchgearbeitet werden müssen die Fragen nicht. Gibt es spannendere Themen zu besprechen, die von den Fragen abweichen, ist das auch gut. Ich arbeite mit Erwachsenen und nicht in der Schule! Meistens schnuppere ich kurz in die Kleingruppen hinein. Die Kleingruppen lasse ich 15-20 Minuten laufen. Das reicht meistens. Im Zweifel ist es gut, lieber mehr anzupeilen und die Gruppen manuell zu unterbrechen, wenn alles ausgetauscht wurde. I.d.R. wird der Austausch am Ende des Seminars am besten bewertet. Offensichtlich ist das das wichtigste Bedürfnis der Teilnehmer*innen.
  6. Plenumsreflexion: Derart warm diskutiert ergeben sich meist noch ein paar Nachfragen. Groß nachdiskutieren lasse ich die Themen jedoch nicht.
  7. Kein Schnickschnack: Es gibt mittlerweile eine ganz Menge an Zusatzplattformen. Manchmal greife ich für Reflexionen oder Abfragen auf kollektive Padlets, Yopads oder Mindmaps zurück. Auch mit Slack oder Crpytpad arbeite ich ab und zu. Manche Teilnehmer*innen sind jedoch überfordert von zu vielen anderen Plattformen. Zudem habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Austausch untereinander den meisten vollkommen ausreicht.

Hybridseminare

Hybridseminare, d.h. eine Mischung aus digitalen und analogen Seminarbausteinen, entstanden in der Pandemie aus der Not heraus. Mittlerweile haben jedoch viele Firmen verstanden, dass solche Konzepte auch über die Krise hinaus eine Zukunft haben. Die Gründe liegen auf der Hand:

  1. Der Faktor Geld: Hybridseminare sparen Geld, weil Reise- und Unterkunftskosten teilweise wegfallen.
  2. Der Faktor Verfügbarkeit: Manche Seminarteilnehmer*innen könnten sich keine zwei Tage am Stück freinehmen. Mehrere kleine Bausteine gehen jedoch. Eine Teilnahme ist noch dazu auch während einer Dienstreise möglich.
  3. Der Faktor Nachhaltigkeit: Da Hybridseminare nicht am Stück stattfinden, sondern in kleinen Bausteinen über mehrere Wochen hinweg, wird Wissen nicht am Stück vermittelt, sondern in „mundgerechten“ Portionen. Damit wird der Arbeitsweltbezug und die Nachhaltigkeit des Seminars erhöht.

Ich gebe zu, als Trainer, der gerne Improtheater-Elemente in seine Seminare einbaut und als Mediator, der am liebsten Konfliktmanagementtrainings gibt, habe ich mir Anfang 2020 ungläubig die Augen gerieben, als viele meiner Kolleg*innen sofort auf reine digitale Seminare umstiegen. Stattdessen nutzte ich die Zeit, um massenhaft Audiobooks für Bookboon zu erstellen (externer Link), ein angefangenes Buch für den Springer-Verlag fertig zu stellen, für Audible zwei Audiobook-Skripte zu erstellen (externer Link) und für meinen Regensburger Hausverlag Artikel zu verfassen (externer Link) und einen demnächst erscheinenden Hybriden aus Ebook und Audiobook zum Thema Streitkultur fertig zu stellen. Es gab also genügend zu tun.

Reine Online-Seminare

Reinen digitalen Seminaren stehe ich nach wie vor skeptisch gegenüber. Hier gibt es nur wenige Konzepte, die aus meiner Sicht richtig gut funktionieren. Ein solches Konzept biete ich mit meinem Online-Achtsamkeitstraining an, derzeit für die Universität Dresden und Führungskräfte der Arbeiterwohlfahrt. Zwischen den 4-5 wöchentlichen eineinhalbstündigen Online-Treffen bekommen die Teilnehmer*innen von mir ausgewählte Reflexionen, Übungen und mentale Kurzentspannungen auf MP3 (Beispiel), um die Nachhaltigkeit des Seminars zu erhöhen und damit die Seminarinhalte direkt in den Alltag zu integrieren. Ergänzt werden die Online-Präsenzzeiten durch Coaching-Elemente per Telefon oder Videotelefonie.

Die Rückmeldungen sind grandios.

Bei Achtsamkeit handelt es sich allerdings um ein sehr persönliches Thema. Die Teilnehmer*innen fühlen sich zuhause in ihren 4 Wänden sicher, was die Anleitung von Achtsamkeitsreflexionen unterstützt.

Gleichzeitig spart ein solches Seminar Unternehmen eine Menge Geld. Während für ein Zwei-Tages-Training durchschnittlich 2000 € ausgegeben wird, kosten die Online-Präsenz-Termine zzgl. der optionalen Einzel-Coaching-Einheiten lediglich etwa 1000 €. Die Zeiten zwischen den Seminareinheiten wurde zwar auch gelernt. Für meine MP3s und Reflexionsaufgaben verlange ich jedoch keine extra Gebühr. So können sich auch Organisationen ein Seminar leisten, deren Budget normalerweise eher schmal ausfällt.

Und gerade die Teilnehmer*innen, die ein Achtsamkeitstraining besonders nötig hätten, würden sich nie für ein Zwei-Tages-Seminar anmelden.

Wenn es also um reflexive Themen geht, ist es nicht nur möglich, rein digital zu arbeiten, sondern oft auch sehr passend. Dies kann beispielsweise auch bei Zeit-, Selbst- oder Stressmanagement-Seminaren der Fall sein.

Sequentiell-hybride Seminare bieten das Beste aus beiden Welten

Sobald jedoch kommunikative Elemente hinzukommen, ist es aus meiner Sicht unabdingbar, hybrid zu arbeiten. Ein Auftraggeber von mir fragte mich vor kurzem, ob ich mir vorstellen könne, ein Seminar mit dem Titel „Mitarbeitergespräche“ online durchzuführen. Wie jedoch lassen sich Mitarbeitergespräche online simulieren, bspw. in Rollenspielen? Ein Blick in meine Agenda brachte die Lösung:

  • Ob ein Gespräch zum erwünschten Ziel führt, entscheidet sich nicht nur an Gesprächsmethoden, insbesondere Fragetechniken, sondern auch an der inneren Haltung.
  • Verschiedene Gesprächsarten (Feedback, Konflikte, Mitarbeiterentwicklung) erfordern verschiedene Ziele.
  • Für ein produktives Feedback gibt es Regeln.
  • Der Umgang mit Kritik an der eigenen Führung ist etwas sehr Persönliches.

Über all diese Bausteine lässt sich sehr gut online (an zwei halben Tagen) anhand von Fallbeispielen philosophieren, diskutieren und reflektieren.

Alles andere (Rollenspiele, Auftritt und Wirkung, Körpersprache, Statusspiele, Konfliktgespräche) fand mit eigenen Beispielen der Teilnehmer*innen einen Monat später an einem Präsenz-Tag statt.

So konnte sich das vermittelte Wissen setzen und die Teilnehmer*innen hatten die Möglichkeit, Haltungen, Feedbackregeln und Fragetechniken in den folgenden Wochen auszuprobieren und mussten nicht, wie es oft bei Zwei-Tages-Trainings der Fall ist, sofort nach der Wissensvermittlung ins kalte Wasser springen.

Eine solche Mischung nenne ich sequentiell-hybride Seminare.

Paralelle-hybride Seminare sind eine Teamleistung

Sollte das Seminar durchgehend vor Ort stattfinden, jedoch andere Teilnehmer remote zugeschaltet werden, spreche ich von einem parallel-hybriden Format. Die Ansprüche an den Referenten sind hier enorm, da er sich nicht auf ein Format konzentrieren kann. Ich persönlich arbeite daher nur in Ausnahmefällen mit solchen Formaten.

Zu beachten sind v.a. folgende technische und kommunikative Aspekte:

  • Die Technik (Zugang, Kamera, Mikrofon, Onlinetools, …) für die Remote-Teilnehmer*innen wird am besten am Abend zuvor getestet, damit am Seminartag keine Hektik aufkommt.
  • Der Konferenzraum sollte technisch gut ausgestattet sein, am besten mit Mikrofonen auf den Tischen, guten Lautsprechern und einer extra Kamera für den Referenten.
  • Der Referent sollte unter den vor Ort Anwesenden Rollen verteilen, bspw. die Betreuung des Chats, um sich zu entlasten.
  • Die Aufgabenbeschreibungen für Breakout-Rooms sollten sehr genau sein, da der Referent evtl. nicht in alle Breakout-Rooms kommt.
  • Der Referent sollte sich klar darüber sein, wo sein Kameraspielraum liegt.