Schlagwort-Archive: lernen

Die Heldenreise als Vorlage für spannende und gelungene Seminare

Die klassische Heldenreise funktioniert nach folgendem Muster:

  • Held*innen befinden sich in einer Welt mit einem problematischen Status Quo.
  • Sie machen sich auf den Weg, um dieses Problem zu lösen.
  • Dies geschieht jedoch mit einem Zögern und Zaudern, da auch Held*innen sich ihrer Sache nicht immer und sofort sicher sind.
  • Auf dem Weg zur Problemlösung müssen sie einige Gefahren und Prüfungen meistern.
  • Sie stoßen ebenso auf Mentor*innen, Verbündete und Widersacher*innen.
  • Nach der letzten Prüfung und somit der Lösung des Problems machen sie sich gereift auf den Rückweg.
  • Spätestens, wenn sie zuhause angekommen sind, realisieren sie, dass sie zu einem anderen Menschen wurden und kommende Probleme mit anderen Augen betrachten.

Seminarteilnehmer*innen als Held*innen

Was bedeutet dies nun für Seminare? Schauen wir uns dazu ein Beispiel aus meinem Führungsseminar-Alltag an:

  • Frau Lutowski meldete sich für einen Kommunikationskurs für junge Führungskräfte an, weil ihre Mitarbeiter*innen sie oftmals falsch verstehen und nicht das machen, was sie von ihnen erwartet.
  • Im Seminar erfährt sie, dass sie zuerst an sich selbst arbeiten sollte, bevor es um die Kommunikation mit anderen geht. Sie realisiert, dass sie selbst nicht immer weiß, was ihr wirklich wichtig ist und dies entsprechend unscharf formuliert.
  • Dies zu erkennen erscheint einerseits schmerzhaft. Das hatte sie sich bei der Anmeldung anders vorgestellt. Auf den zweiten Blick (bzw. nachdem sie eine Nacht darüber geschlafen hat) leuchtet ihr jedoch ein, dass es leichter ist, sich selbst zu verändern als andere.
  • Der Weg zum Erfolg geht über die eigene innere Klarheit mittels Achtsamkeitsübungen, inneren Haltungen wie Neugier und Geduld sowie Reflexionsfragen, bspw. „Was macht eine gute Führung aus?“ oder „Was macht eine gute Zusammenarbeit aus?“.
  • In den Reflexionsrunden im Seminar findet sie in älteren Kolleg*innen Mentor*innen, unter den Gleichaltrigen Verbündete, die mit ihr gemeinsam lernen, als auch Teilnehmer*innen, die ihr vermeintlich einfache Tipps geben („Da musst du dich einfach mal durchsetzen!“) und die ich deshalb im weitesten Sinne als (wenig hilfreiche) Widersacher*innen bezeichne.
  • Spätestens am Ende des Seminars zeigt sich, was Frau Lutowski mit nach Hause nimmt: Wie blickt sie nun auf ihr Eingangsproblem, weswegen sie sich anmeldete? Wurde sie innerlich stabiler? Nimmt sie sich vor, sich erst selbst klar zu machen, was sie will, bevor es nach außen kommuniziert wird? Oder wird sie doch wieder in alte Muster zurückfallen? Einen ersten Hinweis darauf bekommen Trainer*innen spätestens in der Feedbackrunde am Schluss des Seminars.

Trainer*innen als Mentor*innen

So weit, so nachvollziehbarbar. Doch welche Rolle spielen nun Trainer*innen in diesem Setting? In der klassischen Heldenreise bietet sich dafür v.a. die Rolle als Mentor*in an.

Mentor*innen können entweder strukturell vorgehen, indem sie Inhalte logisch aufeinander aufbauen und Gruppen so mischen, dass in jeder Gruppe eine gute Balance zwischen potentiellen Held*innen, Mentor*innen, Verbündeten und Widersacher*innen besteht. Sollte eine Gruppe wider Erwarten doch schlecht ausbalanciert sein, bietet es sich als Trainer*in zudem an, die Balance in der Gruppe selbst (meist) als Mentor*in auszugleichen.

Oder sie schlüpfen selbst beispielhaft in die Rolle der Held*innen und dienen damit als Vorbild. Das Konzept des Modell-Lernens aus der kognitiven Sozialforschung legt uns nahe, ähnlich einem Meister-Schüler-Modell Teilschritte der Heldenreise nicht nur anzuleiten, sondern auch vorzuleben. Dies ist umso sinnvoller, weil ansonsten der Eindruck entstehen könnte, dass Trainer*innen sich aufgrund ihres Erfahrungsvorsprungs leicht mit dem tun, was sie propagieren. Wir Trainer*innen sollten dies niemals vergessen: Wer sich mit etwas auskennt, setzt die Hürde eventuell zu hoch an, was leicht zu Abwehrreaktionen führt.

Ich persönlich mache das insbesondere in Kommunikationsseminaren sehr gerne mit Hilfe improvisierter Rollenspiele, die ich zuerst in wechselnden Rollen vorspiele (beispielsweise als dominante Führungskraft versus trotzige/r Mitarbeiter*in) und im Anschluss in Kleingruppen nachspielen lasse. In diesem Fall durchlaufe ich auch selbst die Heldenreise im Schnellgang mit Zaudern, über den eigenen Schatten springen und neuen Erkenntnissen. Durch die Körperlichkeit entsteht ein Lernen auf vielen verschiedenen Ebenen: Die Teilnehmer*innen sehen und hören einem Konfliktgespräch zu, sie denken darüber nach, was alles passieren könnte und fühlen sich sogar über die Spiegelneuronen in den Konflikt ein. Sie leiden sozusagen auf all diesen Ebenen mit, was das anschließende eigene Spielen enorm erleichtert.

Die Säge – eine kurze Geschichte über Demut und Respekt

Neulich erzählte ein Seminarteilnehmer eine kurze Anekdote über seinen Großvater. Als kleiner Junge durfte er in der Holzwerkstatt seines Opas mitwerkeln. Neugierig wie er war wollte er sich nicht mit der Säge für kleine Jungs zufrieden geben, sondern am liebsten gleich mit der großen Säge arbeiten. Sein Großvater sagte damals zu ihm: „Du darfst mit der großen Säge arbeiten. Aber beschwer‘ dich nicht, wenn du dich schneidest.“ Und plötzlich war die kleine Säge für meinen Seminarteilnehmer wieder hoch attraktiv. Ich habe mir auch seine Finger zeigen lassen. Sie waren noch alle dran, wenn auch mit ein paar kleinen Narben.

Diese vermeintlich simple Alltagsgeschichte brachte mich zum Nachdenken. Der häufigste erste Impuls, wenn beispielsweise ein Praktikant mit hohen Ambitionen kommt, ist aus meiner Erfahrung die Beschränkung von außen. Hier geht es freilich nicht darum, sich zu schneiden, sondern um die Angst vor unzufriedenen Kunden oder Fehler im System. In der Geschichte geht es jedoch erst einmal nicht um die Außenwirkung, sondern um die Innenwirkung. Es geht nicht um ein misslungenes Werkstück, sondern um den persönlichen Umgang mit der Säge, bzw. im erweiterten Sinn den Umgang mit den eigenen Fähigkeiten: „Du darfst alles ausprobieren, aber beschwer‘ dich nicht, wenn du später merkst, dass du dich überfordert hast.“

Natürlich sollten Praktikant*innen nicht alles tun dürfen, wenn es tatsächlich um die Außenwirkung geht. Lernen sollte jedoch einen spielerischen Charakter haben, der es jungen Menschen erlaubt, sich selbst auszuprobieren und damit ihre eigenen Grenzen zu kennen zu lernen. Sind die Regeln dessen, was erlaubt ist, zu eng, kommt die Reibung von außen und führt häufig zu Trotz und Widerwillen. Erst das persönliche Spüren dieser Grenzen führt zu Demut vor einer Tätigkeit oder einem komplizierten Prozess und dem Respekt vor denen, die diese Tätigkeit seit Jahren gut meistern.

Wachstums- vs. Leistungs-Mindset

Jeder Mensch hat bestimmte Denkweisen oder Glaubenssätze, die grundlegend für seine Sicht auf die Welt sind und das eigene Selbstbild prägen. Intensiv mit solchen Mindsets hat sich die Psychologin Carol Dweck bereits Mitte des letzten Jahrhunderts anhand von Schulsituationen beschäftigt. Manche Schüler verzweifelten nicht angesichts unlösbarer Aufgaben, sondern sagten zu sich etwas wie: „Ich liebe kniffelige Rätsel.“ Oder: „Wissen Sie, genau das hatte ich gehofft: dass ich hier was lerne.“ Sie hatten also einen inneren Ansporn des Wachtums,, während andere schneller aufgaben.

Es liegt auf der Hand, dass gerade in einer Zeit des ständigen Wandels ein Mindset, das auf Lernen und Wachstum ausgerichtet ist dabei hilft, sich stetig weiterzuentwickeln. In manchen Jobs mag zwar ein Mindset sinnvoll sein, das sich stark an Regeln und weniger am persönlichen Wachstum orientiert. Denken wir an Flugzeugkapitäne oder Chirurgen. Doch auch hier ist es wichtig, dass Menschen an Fehlern, die im Leben passieren lernen und sich weiter entwickeln.

In der Praxis ist es daher nicht so einfach, sich lediglich an einem Wachstumsmindest zu orientieren. Denn in manchen Situationen geht es nicht um Wachstum und Entwicklung, sondern um Leistung, insbesondere in der Arbeit.

Aus diesem Grund ist es sinnvoll dem Wachstums- ein ergänzendes Leistungsmindset gegenüber zu stellen. Laut der Psychologin Dorette Lochner und dem Wirtschafts- und Rechtswissenschaftler Georg Berkel haben Menschen mit einem Leistungsmindset folgende Einstellungen:

  • Sie kennen ihre Stärken und Schwächen und wissen, wann sie sie erfolgreich einsetzen können.
  • Wettbewerb motiviert sie.
  • Sie vergleichen sich mit Kollegen, die besser sind.

Diese Einstellungen bringen sie dazu,

  • sich an anspruchsvollen Zielen zu orientieren.
  • Sie wissen, wann es Zeit ist, abzuliefern und zeigen beispielsweise vor Kunden eine professionelle Leistung.
  • Sie versuchen Fehler nur dann zu machen, wenn kein großer Schaden passiert und vermeiden Fehler, wenn dies der Fall wäre.
  • Sie treiben sich selbst und andere zu Höchstleistungen an.

Menschen mit einem Growth-Mindset hingegen …

  • sind überzeugt davon, eigene Fähigkeiten weiterentwickeln zu können,
  • sehen Fehler als Lernchance.
  • schreiben ihre Erfolgsaussichten NICHT ihrer Herkunft oder ihren natürlichen Talenten zu.
  • glauben daran, dass sie fast alles erreichen und lernen können, wenn sie sich durchbeißen, wenn sie üben und genügend anstrengen.

Diese Unterscheidung ist nicht nur in der Arbeit wichtig, sondern auch für mich als Seminarleiter. Denn in Seminaren, bspw. in Rollenspielen geht es nicht darum, abzuliefern, sondern auszuprobieren und zu wachsen. Es kann also in Trainings nicht schaden, darauf zu Beginn eines Seminars hinzuweisen.

Mehr dazu im Audiobook Wachstums- vs. Leistungsmindset (externer Link).