Schlagwort-Archive: Personalmanagement

Zugehörigkeit und Bindung am Arbeitsplatz

Zugehörigkeit und Bindung am Arbeitsplatz haben sich verschoben

Die Zugehörigkeit zu einem Arbeitsplatz wird in meinen Führungsseminaren häufig beklagt. Das beginnt bereits beim Vorstellungsgespräch: „Die wissen oft gar nicht, wo sie sich bewerben und was wir hier eigentlich machen“, so ein O-Ton aus meinen Seminaren.

Die Prioritäten haben sich hier in den letzten Jahren deutlich verschoben. Früher wollten Mitarbeiter*innen wohin, „weil die einen guten Ruf hatten, man dort Karriere machen konnte und die gut bezahlten“. Heute wollen junge Leute wohin, „weil es Teilzeitangebote gibt, ich viel vom Homeoffice aus erledigen kann … und klar: die Bezahlung sollte angemessen sein“.

Karriere machen? Eher nicht mehr so wichtig. „Family first, Arbeit second“, könnte der geheime Leitspruch vieler junger Menschen lauten. Und damit werden auch Führungspositionen auf lange Sicht schwieriger zu besetzen sein. Nur: Brauchen wir in einer zunehmend enthierarchisierten und auf Distanz zusammenarbeitenden Welt noch Führungskräfte?

Ich vermute schon, weil wir niemals in einer zu 100% enthierarchisierten Welt leben werden. Es wird immer Momente geben, in denen am Ende des Tages irgend jemand eine Entscheidung treffen muss, die anderen im Team nicht zu 100% gefallen wird. Und da werden uns vermutlich auch keine cleveren Algorithmen raus helfen.

Zugehörigkeit ist nach wie vor wichtig

Die Zugehörigkeit findet heutzutage also nicht mehr automatisch über eine klare Struktur und einen potenziellen Aufstieg am Arbeitsplatz statt. Die Mitarbeiter*innen orientieren sich also immer weniger an einer Führungskraft, von der sie sagen: „Da will ich auch hin“, so wie einst Gerhard Schröder mit langen Haaren am Zaun des Kanzleramts rüttelte.

Und dennoch bleibt Zugehörigkeit und Bindung ein zentraler Aspekt, gerade in Zeiten der Distanz bzw. im Rahmen einer hybriden Zusammenarbeit.

Das Achievers Workforce Institute brachte 2021 den „Culture Report on Belonging at Work“ (externer Link) heraus. Darin zeigt sich, dass Beschäftigte mit einem starken Zugehörigkeitsgefühl motivierter, produktiver, engagierter und widerstandsfähiger sind. Dies wird erreicht, wenn Mitarbeiter*innen sich

  1. willkommen,
  2. bekannt,
  3. einbezogen,
  4. unterstützt und
  5. verbunden fühlen.

Strategischer Aufbau einer Kultur der Zugehörigkeit und Bindung

Wie in jedem (strategischen) Verbesserungs-Prozess sollte zuerst eine Analyse der aktuellen Probleme stattfinden, anschließend eine Festlegung der Ziele, dann eine Analyse der vorhandenen Instrumente und schließlich – nach der Durchführung einer Testphase – die Evaluation der Erkenntnisse und Ergebnisse:

  1. Problem-Analyse: In welcher Situation sind wir? Was hat sich verändert (von Präsenz zu hybrid, von traditionell zu modern)? Welche Probleme tauchen dadurch auf (geringere Kreativität, mehr Missverständnisse, Unruhe und Unzufriedenheit)? Was erwarten oder wünschen sich die Mitarbeiter*innen? Brauchen wir dazu eine Mitarbeiterbefragung? Oder können wir andere Instrumente der Messung nutzen, beispielsweise Kundenunzufriedenheit, Krankheitsdaten oder Konflikte? An dieser Stelle sind die fünf Kategorien aus der genannten Studie hilfreich, um zu erkennen, woran es v.a. hapert:
  • Willkommenskultur: Gibt es ein Willkommensritual für neue Mitarbeiter*innen? Finden sie alles auf ihrem Schreibtisch (sofern es diesen noch gibt), was sie zur Arbeit brauchen? Wie sauber läuft der Onboarding-Prozess ab? Kennen die Vorgesetzten die Namen der Neuen? Wie schnell kommen die neuen Mitarbeiter*innen in Kontakt mit anderen Kolleg*innen im Team als auch mit Mitarbeiter*innen im gesamten Unternehmen?
  • Bekanntheit im Unternehmen: Gibt es Events im Unternehmen, um nicht nur die Fachkraft kennenzulernen, sondern auch den Menschen dahinter? Gibt es Ort des Kennenlernens für einen unverbindlichen Austausch, beispielsweise eine (virtuelle) Teeküche oder Chatrooms, in denen Kochrezepte oder Filmtipps ausgetauscht werden?
  • Einbezogen werden: Inwiefern werden Ideen der Mitarbeiter*innen in Projekten oder Verbesserungsprozessen berücksichtigt? Inwiefern werden Bedürfnisse nach einer gelingenden Work-Life-Balance berücksichtigt? Gibt es eine Toleranz für abweichende Meinungen? Gibt es Gruppen zum Austausch über bestimmte Themen, zum Beispiel über Gesundheit am Arbeitsplatz?
  • Unterstützt werden: Wie wird gewährleistet, dass Mitarbeiter*innen ein konstruktives Feedback und die Möglichkeit zur beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung bekommen? Gibt es beispielsweise regelmäßige kollegiale Beratungsgruppen, insbesondere für Führungskräfte, oder ein institutionalisiertes 360-Grad-Feedback?
  • Verbunden sein: Welche Möglichkeiten können Mitarbeiter*innen selbst nutzen, um ihr Netzwerk im Unternehmen aufzubauen und miteinander in Kontakt zu treten? Gibt es auch einen hierarchie- und abteilungsübergreifenden Austausch? Wird dieser gefordert und gefördert oder eher ungern gesehen?
  1. Ziel-Definition: Wo wollen wir bezüglich des Themas ‚Zugehörigkeit‘ hin? Was wollen wir erreichen? Was ist uns wichtig? Warum und wofür ist uns das wichtig?
  2. Instrumenten-Analyse: Welche Instrumente haben wir bereits (beispielsweise aus dem Bereich des Onboarding)? Welche hatten wir früher? Welche ließen sich reaktivieren (beispielsweise Stammtisch, Sportgruppen, Chor, Ausflüge)? Welche lassen sich nur in Präsenz durchführen? Welche funktionieren auch online? Aufbauend auf der Problemanalyse lassen sich auch hier wieder die fünf Kategorien aus der genannten Studie heranziehen: Welche Instrumente haben wir in den fünf Bereichen und wie lassen sich diese anwenden, erweitern oder verbessern?
  3. Testphase und Evaluation: Was davon hat gut funktioniert? Was davon soll weitergehen? Wovon sollten wir uns verabschieden?

Literatur: Michael Hübler – Mit positiver Führung die Mitarbeiterbindung fördern, Springer-Gabler 2022

Die Rolle der Personalabteilung in Konflikten

Personalabteilungen im Spannungsfeld von Konflikten

Die Funktion von Personalabteilungen hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Gerade mit Blick auf New Work und digitalisierte Arbeitswelten kamen und kommen neue Herausforderungen auf Unternehmen und Teams zu. Und damit auch neue Konflikte, sei es wegen einem erhöhten Stress und Zeitdruck oder aufgrund der Kommunikation über Distanz.

Bei Konflikten zwischen Mitarbeiter*innen und Vorgesetzten sind Personalverantwortliche (neben dem Betriebsrat) oft die erste Anlaufstelle. Doch was passiert, wenn beide Parteien eine Art Richterspruch erwarten, wie es häufig in Konflikten passiert?

Ein Beispiel: Mitarbeiterin Schubert fühlt sich mit dem steigenden Arbeitsvolumen durch ihren Vorgesetzten überfordert, klärenden Gesprächen geht er aus dem Weg, die schriftliche Kommunikation, insbesondere im Homeoffice verläuft zunehmend angespannter. Auf ihrer Seite häufen sich Fehler mit entsprechend negativen Feedbacks. Frau Schubert denkt, man könnte aus dem Teufelskreis leicht aussteigen, wenn ihr Chef sie nicht so abblocken würde. So jedoch weiß sie oft nicht, was zu tun ist und arbeitet auf Verdacht. Kein Wunder, dass es dann zu Fehlern kommt. Da ihr Chef vorgibt, keine Zeit für Klärungsgespräche zu haben, sucht sie den Weg zur Personalabteilung.

Als erstes gilt es nun zu klären, worum es Frau Schubert in geht und welche nächsten Schritte anstehen. Frau Schubert könnte ihre Führungskraft darüber informieren, dass sie den gemeinsamen Konflikt gerne mit Unterstützung der Personalabteilung angehen möchte. Je nachdem, wie verfahren die Situation ist, ist dies jedoch ein heikles Unterfangen. Konflikte werden auch daher immer noch nicht so häufig angegangen, weil die beteiligte Führungskraft einen Gesichts- und/oder Kontrollverlust befürchtet. Alternativ kann die Personalabteilung direkt tätig werden.

Nun gilt es zu entscheiden, ob eine externe Moderation notwendig ist oder nicht.

Für eine externe Moderation spricht:

  • Der Konflikt ist bereits eskaliert, die Fronten sind verhärtet.
  • Es gibt ein klares Misstrauensvotum von mindestens einer Seite gegenüber der Unparteilichkeit des Personalabteilung.
  • Die Personalabteilung hat Sympathien oder Antipathien für bzw. gegen eine Seite.
  • Es besteht ein zu hoher Grad an Vertrautheit, was oft in kleinen Organisationen anzutreffen.
  • Bisherige Lösungsversuche waren erfolglos.
  • Es bestehen Interessenkonflikte aufgrund von Abhängigkeitsverhältnissen, bspw. aufgrund langjähriger persönlicher Beziehungen zwischen zwei Parteien.
  • Die Personalabteilung verfügt nicht über das notwendige Know-how zur Moderation von Konflikten.
  • Es fehlen zeitliche Ressourcen zur Bearbeitung des Konflikts.

Es gibt also eine ganze Menge Gründe, eine externe Moderation zu beauftragen, die zum einen die nötige Erfahrung mit bringt und sich zum anderen leichter damit tut, heikle Themen offen anzusprechen.

Aufgaben für Personalabteilungen in Konflikten

1. Klären, worum es geht

Nachdem die leidendere Seite sich bereits äußerte, sollte die Personalabteilung mit einem noch nicht eskalierten Konflikt zumindest erste Klärungsgespräche führen und dann entscheiden, wie es weiter geht. Als Mediator weiß ich auch oft nicht, wo die Reise hingeht und wie groß der Konflikt bereits ist. Das erfahre ich idR erst im Laufe der ersten Sitzung.

2. Klären, wie der Prozess abläuft

Der oder die Personalabteilungsverantwortliche sollte nun den Prozess verdeutlichen, der auf die beiden Parteien zukommt. Dies kann je nach Konfliktkultur im Unternehmen unterschiedlich sein. Manche Unternehmen engagieren sofort eine/n externe/n Mediator*in. Andere – insbesondere wenn die Kompetenzen vorhanden sind – versuchen den Fall zumindest inhaltlich so zu klären, dass ein/e externe/r Mediator*in schnell loslegen kann.

Mögliche Aufgaben der Personalabteilung im Sinne einer höheren Verantwortung zu Beginn und auch während einer Mediation können sein:

  • Unterstützung bei der Konflikt-Analyse
  • Ansprechpartner*in für Führungskraft, wenn es um eine Reflexion der eigenen Führungsrolle geht
  • Klärung möglicher Anschlussmaßnahmen, beispielsweise Teamentwicklungen oder Coachings
  • Klärung möglicher Konsequenzen bei einer Nichtlösung, beispielsweise Versetzung oder Entlassung

3. Zusammenarbeit mit externen Mediator*innen

Der Erstkontakt mit externen Konfliktmoderator*innen wird zum einen genutzt, um die Ausgangslage und das Anliegen zu schildern. Gleichzeitig agieren Personalveranwortliche auch als Kulturvermittler*innen: Sie geben wichtige Hinweise zur Konfliktkultur im Unternehmen und helfen zu verstehen, wie die Probleme im speziellen und allgemeinen entstehen oder eskalieren konnten, wie üblicherlicherweise vorgegangen wird und welche Hindernisse im speziellen und allgemeinen auftreten könnten.

Darüber hinaus werden die Rollen im weiteren Prozess sowie Form, Inhalt und Umfang der Rückmeldungen definiert. Insbesondere ist die Klärung von Verschwiegenheiten bzw. deren Grenzen wichtig. In der Regel wird vereinbart, dass in der Mediation besprochene Inhalte vertraulich behandelt werden, die Personalabteilung am Schluss jedoch eine Kopie der vereinbarten Massnahmen sowie ein Feedback zum Verlauf des Prozesses und der Mitarbeit der Beteiligten erhält.

Basierend auf den Vereinbarungen zwischen Personalabteilung und Mediator*in wird den Konfliktparteien der weitere Verlauf der Mediation vorgestellt. Die Personalabteilung und der oder die Mediator*in arbeiten sozusagen als perfektes Team auf Zeit zusammen. Dies spart dem Unternehmen Zeit und Geld, Mediator*innen Nerven und erhöht die Erfolgschancen enorm.

In der nächsten Phase tritt die Personalabteilung in den Hintergrund. Die Verantwortung für die eigentliche Konfliktbearbeitung liegt nun bei den Parteien und der externen Moderation.

4. Präventionsarbeit

Jenseits des aktuellen Konflikts sollte die Personalabteilung zusammen mit der Geschäftsleitung bzw. dem Topmanagement die Konfliktkultur aktiv gestalten. Konflikte sollten etwas Normales sein, das sich lösen lässt und das man nicht verdrängen oder verschweigen sollte. Dazu braucht es das Vertrauen der Mitarbeiter*innen, Konflikte bei Führungskräften und der Personalabteilung anzusprechen. Wer Konflikte anspricht ist also kein Nestbeschmutzer, sondern sucht nach Lösungen für einen reibungsfreieren Arbeitsablauf. Hierzu ist es auch hilfreich, den Betriebsrat ins Boot zu holen, da auch dieser häufig als Anlaufstelle für Konflikte genutzt wird.

Kompetenzen der Personaler*innen

Damit Personaler*innen diese Aufgaben erfüllen können, braucht es ein Basiswissen in drei Bereichen:

  1. Konfliktmanagement-Basiswissen: Natürlich wäre eine Grundausbildung in Mediation sehr hilfreich. Grundsätzlich reicht es jedoch aus, den
  • Prozess einer Mediation, beispielsweise das Harvard-Modell,
  • Gesprächs-, insbesondere Fragetechniken für das Klärungsgespräch und
  • Eskalationsstufen (Ab wann kann ich als Personaler*in nichts mehr tun?) zu kennen.

Ein solches Wissen lässt sich, ohne zu tief in Konflikte einzusteigen, in 1-2 Tagen vermitteln.

  1. Auswahl des Mediators / der Mediatorin: Wie finde ich eine/n geeignete/n externe/n Konfliktmoderator*in? Welche Kriterien sind mir wichtig? Was passt zu unserem Unternehmen? Darf es beispielsweise emotional werden oder sollte die Mediation lieber sachlich ablaufen?
  2. Trennungsmanagement: Ähnlich wie in privaten Beziehungen werden Konflikte aufgrund von Ängsten vor möglichen negativen Konsequenzen lieber ausgehalten. Am Ende könnte sich herausstellen, dass Führungskräfte nicht führen können oder dass es für einen Mitarbeiter einfach nicht mehr passt im Unternehmen. Die Führungskraft könnte notfalls gecoacht werden. Doch eine Kündigung ist entgültig. Wenn sich das Personalmanagement darauf vorbereitet, sich ethisch sauber von Mitarbeiter*innen zu trennen, kann dies viel Angst vor Konflikten nehmen.