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Warum wir zwingend ein positive Sicht auf die Welt brauchen

Wer sich derzeit in der Welt umsieht, scheint beinahe nur noch mit Negativem konfrontiert zu sein. Europa bereitet sich auf einen Handelskrieg mit den USA vor und gleichzeitig auf die Gefahr, die seit den Hunnen aus dem Osten zu kommen scheint (Literaturempfehlung über Ur-Ängste und Konflikte: Ralf Langejürgen – Entfasziniert euch!). Die Belastung in deutschen Organisationen erreicht beinahe wöchentlich neue Hochstände. Aber lassen wir das. Sie kennen die Hiobsbotschaften.

Intuition als Überlebensfaktor

Unsere Wahrnehmung hat einen guten Draht zu unserem Bauchgefühl. Das wiederum sagt: Es ist schlimm und wird eher noch schlimmer. Und der Austausch mit anderen macht es meist noch schlimmer, weil unser Gehirn lieber nach Bestätigung sucht als nach Korrektur.

Aus Urzeiten wissen wir: Wer im Wald einem potentiell gefährlichen Tier begegnet, denkt nicht lange nach, um zu überleben. Mit weitreichenden Konsequenzen:

  • Wer regelmäßig wilde Tiere kontaktet, weiß (intuitiv) was zu tun ist.
  • Wer zum ersten Mal in seinem Leben eine solche Erfahrung macht, verfügt über keine adequate Lösung.

Ein Mensch ohne Erfahrung spielt folglich Roulette mit einer 1 zu 4-Chance (totstellen, wegrennen, angreifen oder ruhig auf den potentiellen Angreifer einreden). Als Mediator würde ich vermutlich intuitiv auf meine sanfte Mediatoren-Stimme umstellen und hoffen, dass die autditiv-hypnotischen Schwingungen auch bei Nicht-menschlichen Organismen funktionieren. Alles andere läge mir sowieso fern. Aber ob es funktioniert? Keine Ahnung.

Intuition als schnelles Analyse-Tool

Genauso geht es uns allen in Situationen, die wir nicht kennen. Wir sollten schnell handeln, wissen jedoch nicht wie. In solchen Situationen kann unsere Intuition als schnelles Analysetool hilfreich sein. Ein Garant für ein erfolgreiches Handeln ist sie jedoch nicht. Ein Beispiel: Sie sprechen mit einem Mitarbeiter, der Sie vermeintlich „angreift“. Ihre Inttuition flüstert Ihnen folgende Assoziationen ein:

  • eher ein Fuchs als ein Bär oder Wolf
  • er könnte mich hintergehen
  • bloß nicht den Rücken zukehren
  • nicht zu viele Freiräume lassen
  • usw.

Sie können solche intuitiven Übungen freilich mit verschiedenen Tieren durchspielen. In meinen Seminaren tauchen ab und an Aale (glitschig, gleitet einem durch die Hände), Elefanten (schwer zu etwas zu bewegen) oder Platzhirsche (der verteidigt vehement sein Revier) auf. Aber auch andere intuitive Metaphern wie „mein Kindergarten“ oder „Hühnerhaufen“ sind sehr beliebt. Vermutlich entstand aus einem solchen intuitiven Impuls die Idee von Eric Berne, kommunikative Dynamiken in der Transaktionsanalyse zwischen Eltern und Kindern zu untersuchen.

So wertvoll solche intuitiven Analysen sein können, bringen sie doch drei Probleme mit sich:

  1. Mangelnde erfahrungsbasierte Intuition: Wir kennen uns häufig nicht mit solchen Ausnahmesituationen aus, da Führungskräfte eben nur einen Aal, einen Wolf und einen Elefanten im Team haben und kein Dutzend davon. Deshalb ist unsere erfahrungsbasierte Intuition in Ausnahmesituationen überfordert und greift v.a. auf einfache Strategien wie Angriff, Verteidigung oder Aussitzen zurück.
  2. Tendenz zum Negativen: Sie betonen das Negative stärker als das Positive, weil der Mensch in Belastungs- und Bedrohungs-Situationen auf Überleben gepolt ist. Aus der möglicherweise bedrohlichen Ausgangssituation entsteht logischerweise nur eine negative Möglichkeit, damit umzugehen. So erfolgt aus der Analyse, einem Aal gegenüber zu stehen, logischerweise, diesen in einem kleinen Becken zu halten und irgendwie „dingfest“ zu machen. Produktiv sieht anders aus.
  3. Wirklichkeitskonstruktion: Intuitive Analysen sind häufig nicht wertschätzend und daher nicht für einen Austausch mit der betreffenden Person geeignet. Wer mag schon von seiner Führungskraft als Kindergarten oder Wolf bezeichnet werden. Sollte Sie dennoch kommunikativ mit solchen schnellen Analyse arbeiten, können sogar Wirklichkeiten festgeschrieben werden, die zuvor noch gar nicht bestanden. Plötzlich verhält sich der Elefant tatsächlich wie ein Elefant.

Auf Milton Erickson geht der Satz „energie flows, where concentration goes“ zurück. So kann es sein, dass sogar ein Zu-spät-Kommen zu Teamsitzungen umso häufiger wird, je mehr Aufmerksamkeit Sie diesem Phänomen widmen.

Dieses Phänomen lässt sich auch gesamtgesellschaftlich beobachten:

  • Es kann sein, dass Russland Europa eines Tages angreift. Ob die beinahe schon obsessive Beschäftigung mit Krieg in den Medien dies verhindert, wage ich jedoch zu bezweifeln. Doch so wie der Konflikt- ist offensichtlich auch der Kriegs-Hund sehr hungrig und will gefüttert werden. Der Versöhnungs- und Friedens-Hund scheint dahingegen ein eher bescheidener Genosse zu sein.
  • Es kann sein, dass manche Vetreter*innen der jungen Generation nicht mehr so viel arbeiten wollen wie die Generationen zuvor. Es kann aber auch sein, dass sie noch auf der Suche nach einem guten, eigenen Weg durch den Dschungel sind zwischen einem erfüllenden Job und nach Corona endlich das Leben genießen.

Kurzum: Aufgeregt haben wir uns schnell, weil irgendeine Stimme uns ein schnelles Urteil einflüsterte. Aber ob diese Stimme recht hat?

Intuition als Möglichkeitssinn

Von Robert Musil (Der Mann ohne Eigenschaften) stammt der schöne Begriff des Möglichkeitssinns. Eines Sinns, der in die Zukunft weist, der fantasiert und hofft und damit positiver denkt als unsere Analyse-Intuition. Der Fokus einer solchen Möglichkeits-Intuition sollte jedoch von unserem Gegenüber weg- und zu uns selbst hingehen. Sie nehmen dann den Elefanten, Fuchs oder Kindergarten zwar wahr. Diesen können Sie jedoch ohnehin nicht verändern. Verändern können Sie nur sich selbst. Dazu brauchen Sie jedoch das Gegenstück Ihres Gegenübers. Wer also sind Sie, wenn Ihr Gegenüber ein Elefant, Fuchs oder Kleinkind ist? Ein*e Dompteur*in, Waldhüter*in oder Kindergärtner*in? Oder sehen Sie sich als etwas anderes? Vielleicht ja als Chef*in eines Rudels, als Gefährt*in oder als Anleiter*in für kleine Kindergarten-Wissenschaftler*innen? Und wie können Sie aus dieser intuitiven Figur heraus die Realität positiv beeinflussen?

Eine Anleitung zur intuitiven Veränderung der Wirklichkeit

Aufbauend auf diesen Gedanken lassen sich vier bzw. fünf Schritte zur Veränderung der Wirklichkeit festschreiben:

  1. Intuitive Analyse Ihres Gegenübers: Beispiele: Mein Gegenüber ist wie ein lauernder Wolf, der mich bedroht. Oder: Mein Gegenüber ist wie ein Aal, der mir durch die Finger gleitet. Oder: Mein Gegenüber ist wie ein Maulwurf, der sich in Winderseile versteckt, wenn ich komme. Welches Bild fällt Ihnen von Ihrem Gegenüber spontan ein?
  2. Intuitive Selbstreflexion IhrerErst-Reaktion: Ich passe schlimmstenfalls in sein Beuteschema. Angriff oder Verteidigung! Oder: Der Aal darf nicht zu viele Spielräume haben (kleines Becken), um ihm habhaft zu werden. Oder: Ich muss den Maulwurf los werden, bevor mein Garten ruiniert ist. Wie reagieren Sie intuitiv?
  3. Entscheidung für eine wunsch-intuitive eigene Wirklichkeit: Ich weigere mich, Beuteschema zu sein oder Aalzüchter*in oder Gärtner*in und entscheide mich für einen anderen Gegenpart, bspw. als Gefährt*in, um dem Wolf respektvoll auf Augenhöhe zu begegnen und die jeweiligen Kompetenzen zu ergänzen, in diesem Fall Cleverness und Weitblick. Oder ich akzeptiere den Maulwurf als Eigenbrötler und versuche ihn ab und an (Nachts, wenn alle anderen weg sind?), aus seinem Bau zu locken. Oder ich vertraue darauf, dass der Aal einen eigenen Kompass hat. Wer könnten oder wollen Sie sein, um eine neue Wirklichkeit herzustellen?
  4. Möglichkeitenin gewünschte Bahnen lenken: Ich übersetze meine Wunsch-Intuition in realistische Sprache und bahne damit eine neue Wirklichkeit: „Ich habe das Gefühl, wir könnten uns gut ergänzen. Du bist clever (wie ein Fuchs) und ich habe den Überblick über die kommenden Projekte. Bist du dabei?“ Oder: „Wann wäre eine gute Zeit, sich in Ruhe über Ergebnisse auszutauschen?“ Oder: „Mich würde interessieren, wie dein innerer Kompass aussieht“. Was könnten Sie Ihrem Gegenüber konkret sagen, um eine neue, kooperative Begegnung zu ermöglichen?
  5. Intuitive Wunschvision des Gegenübers fördern: In Coachings oder intensiven, vertrauensvollen Mitarbeitergesprächen bietet es sich zudem an, die intuitive Wunschvision des Gegenübers bspw. mit inneren Bildern oder Bildkarten zu fördern. Dies sollte jedoch losgelöst vom eigenen Bild des Fuchses, Elefanten, etc. stattfinden, um neurobiologische Vorbahnungen zu verhindern. Das Züricher Ressourcenmodell (ZRM) greift dabei auf Bildkarten zu Bergbesteigungen (anstrengend, aber lohnend), Flugzeugen (hoch hinaus), Krieger (ungeahnte Kräfte), Löwen (Stärke), bemalte Gesichter (Vielfalt), helfende Hände (Unterstützung), Apfelbäume (Ernte) oder Jogger (Ausdauer) zurück, um unbewusste Ziele ans Licht zu bringen.

Mit diesem Schema kommen Sie von einer ersten intuitiv-negativen auf eine zweite, produktivere und mit Sicherheit realistischere Sicht auf die Welt oder Ihr Gegenüber.

Literatur: Bernd Schmid – Intuition und Professionalität

Führung am Limit, Hoffnung, Resilienz, Pragmatismus und Umgang mit (Dauer-) Belastungen

Seit einigen Jahren befinden sich Führungskräfte und Teams aufgrund hoher Fluktuation, Unterbesetzungen und überbordender Bürokratie zunehmend am Limit oder bereits darüber hinaus. Das Standardrepertoire zur Meisterung von Krisen wie Durchhalteparolen, Verständnis zeigen oder Aufgaben reorganisieren ist bereits ausgereizt, reicht jedoch häufig nicht aus. Die Stimmung ist in vielen Unternehmen im Keller. Was also tun in einer solchen Zeit? Einige Führungskräfte versuchen die Fahne mit Optimismus hochzuhalten. Der Optimismus hat jedoch dort seine Grenze, wo Informationen für eine bessere Zukunft fehlen. Vor dem Hintergrund eines leergefegten Mitarbeitermarkts optimistisch zu erzählen, dass das eigene Team bald wieder vollständig sein wird, glaubt kaum noch jemand. Damit verspielen Führungskräfte letztlich sogar wertvolles Vertrauen. An dieser Stelle kommt ein Begriff ins Spiel, der lange Zeit in unserem Leben kaum eine Rolle spielte.

Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft bietet in einer postoptimistischen Welt einen Rettungsanker, um trotz berechtigter Zweifel die eigene Zuversicht nicht zu verlieren und der Apathie und Demotivation entgegen zu wirken. Denn der Umkehrschluss des Spruches „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ lautet „Solange wir Hoffnung haben – wie auch immer diese aussieht – geht es weiter.“ Gleichzeitig helfen uns Hoffnungen nicht nur, aktuelle Krisen besser durchzustehen, sondern können auch als hoffnungsvolle Utopien in die Arbeitswelt von morgen weisen.

Da Hoffnungen allerdings erst in der Zukunft verwirklicht werden, lässt sich damit alleine nicht erfolgreich in der Gegenwart führen. Deshalb braucht es als Ergänzung eine tragfähige Resilienz, um Belastungen auszuhalten, pragmatische Ansätze, um improvisierend mit aktuellen Krisen umzugehen und Führungskräfte, die wissen, wie sie die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter*innen durch einen moderierten und mediativen Austausch einbinden und weiterentwickeln. In einer Welt, in der individuelle Bedürfnisse oft wichtiger sind als gemeinsame Utopien, gilt es Bindung, Zusammenhalt, Solidarität und gegenseitige Unterstützung als Wir-Resilienz wieder neu anzugehen.

Mit diesen drei Bausteinen Wir-Resilienz, pragmatischen Improvisationen und Hoffnung halten Sie nicht weniger als ein praktikables Konzept in den Händen, um Krisen nicht nur zu überstehen, sondern Ihre Teams und Abteilungen auch langfristig krisenfest zu machen.

Mein Seminar dazu finden Sie hier.

Was Führungskräfte von Muhammed Ali lernen können

Bild von storyset auf Freepik

Kurz zu den Fakten: Am 30.10.1974 forderte Muhammad Ali (34) George Foreman (25) um die Krone im Schwergewicht heraus. Ali war nicht nur beinahe 10 Jahre älter, sondern hatte zudem seine letzten Kämpfe verloren. Er hatte zwar nach wie einen klangvollen Namen mit einer großen Fangemeinde. Foreman war jedoch als Verteidiger der haushohe Favorit. In seinen letzten Kämpfen kam keiner seiner Gegner über die 5. Runde hinaus. Was konnte Ali dem entgegen setzen?

Bringen wir es gleich auf den Punkt:

  1. Eine Taktik, mit der niemand rechnete.
  2. Ausdauer, die selbst den stärksten Gegner zermürbt.
  3. Provokationen, um sein Gegenüber aus der Reserve zu locken.

Taktik

Ali ließ sich von Beginn an von Foreman nicht nur in die Seile treiben. Er ließ sich sogar darin fallen. Damit das gelang, wies er seinen Trainer an, die Seile weicher zu spannen als normal. Ob das heute noch erlaubt ist, weiß ich nicht. Dadurch konnte er sich jedenfalls so stark zurücklehnen, dass Foreman nicht an seinen Kopf kam und von Runde zu Runde ungeduldiger wurde. Er selbst unternahm kaum Anstrengungen für eigene Angriffe. Stattdessen setzte er zu 100% auf Verteidigung.

Ausdauer

Durch seine Seil-Taktik sparte er extrem viel Energie. Während sich Foreman aufarbeitete, einige Luftschläge landete und einmal sogar durch den eigenen Schwung beinahe aus dem Ring fiel, teilte sich Ali seine Kräfte ein und konnte auch in späteren Runden noch durch den Ring tänzeln. Während Foreman auf Schnelligkeit und Stärke setzte, setzte Ali auf Ausdauer.

Provokationen

Während sich Foreman bemühte, Ali zu treffen – was ihm jedoch selten gelang – rief ihm dieser immer wieder zu, dass er sich doch endlich mal anstrengen solle. Man könnte das unfair nennen oder einfach clever. Es lohnt sich definitiv, sich die lange Version des Kampfes auf Youtube anzusehen, um zu beobachten, wie Foreman Minute für Minute zuerst frustrierter und später müder und unkontrollierter wird, bis Ali kurz vor dem Ende der 8. Runde aus seiner Deckung heraus mit einigen gezielten Treffern Foreman zu Boden bringt und dieser nicht mehr früh genug wieder aufsteht.

Was lässt sich daraus lernen?

  1. Ausdauer statt Kraft und Schnelligkeit: Manche Situationen lassen sich schnell lösen. Andere erfordern Geduld, Beharrlichkeit und Ausdauer. Krisen, Unterbesetzung, Konflikte oder der Umgang mit einem schwierigen Mitarbeiter erfordern keine Sprints, sondern einen Langstreckenlauf. Wenn sich Probleme nicht schnell lösen lassen, gilt es eben dran zu bleiben.
  2. Ungewöhnliche Problemlösungen: Einstein sagte einmal: Probleme lassen sich nicht mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind. Entsprechend sollten wir uns in neuen Situationen neue Taktiken ausdenken, die vielleicht unorthodox sind, aber dennoch – oder gerade deshalb – zum Erfolg führen.
  3. Humor: Gerade in Krisen oder unter Dauerbelastungen sollten wir unseren Humor nicht verlieren.

Wenn Optimismus nicht mehr ausreicht, braucht es Utopien, um mit Belastungen umzugehen

Bild von storyset auf Freepik

Während sich der Optimismus auf Zahlen und Fakten beruft und gut gelaunt in die Zukunft blickt, indem er sich anschaut, welchen Einfluss er geltend machen kann, bleibt die Hoffnung oft vage, vorsichtig, kann sogar sorgenvoll sein, weil ihr die Referenzwerte fehlen und sie meist vom Schicksal oder Zufall abhängt.

Sage ich bspw. am Roulette-Tisch „Ich bin optimistisch, dass ich dieses mal gewinne“, ziehe ich diesen Optimismus daraus, dass ich heute meine Glückshosen anhabe oder bereits den ganzen Tag über Glück hatte. Sage ich jedoch „Ich hoffe, dass ich heute gewinne“, schwingt die Angst mit, auf eine dramatische Art zu verlieren, weil es das Schicksal nicht gut mit mir meint. Vielleicht kann meine Miete bald nicht mehr zahlen oder habe mir sogar Geld von der Mafia geliehen.

Unser Optimismus bezieht sich in der Regel auf positive Erfahrungen, die unserer Hoffnung fehlen: „Ich hoffe, dass wir bald wieder jemand Neuen im Team haben, weiß es jedoch nicht. Ich weiß allerdings aus Erfahrung, dass wir als Team immer dann Durststrecken meisterten, wenn wir gut zusammen arbeiteten.“

Diese Unsicherheit macht den Umgang mit Hoffnung grundsätzlich schwieriger als mit Optimismus. Deshalb bezieht sich die Hoffnung oft auf ein Leben nach dem Tod oder vermeintlich mächtige Menschen als sogenannte Hoffnungsträger. Sowohl auf Kamala Harris als auch Donald Trump ruhen derzeit die Hoffnungen vieler Menschen in den USA nach einem besseren Leben. Dabei wird die Macht einzelner meist überschätzt und die Macht der Systeme (Netzwerke, internationale Verträge, Banken, Lobbyismus, usw.) unterschätzt. Damit zeigt sich jedoch, wie sehr Menschen Hoffnung brauchen, wenn sie sich in einer Situation befinden, die sie nicht einschätzen können. Krieg, ein Grubenunglück, eine schwere Krankheit, wirtschaftliche Krisen oder auch der aktuelle Zustand der Unterbesetzung und damit Dauerbelastung in vielen Teams sind solche Situationen. Werden wir mit einer unerwarteten und unberechenbaren Situation konfrontiert, greift unser wohlgepflegter Optimismus nicht mehr. Der Roulette-Spieler kann seine Chancen auf einen Gewinn errechnen, was seinem Optimismus Futter gibt. Dies war bei unterbesetzten Teams früher auch der Fall. Ist der Arbeitsmarkt jedoch leer gefegt, bleibt nur noch die Hoffnung auf eine positive Wendung in der nahen Zukunft. Hierauf haben wir zwar wenig Einfluss, können aber dennoch etwas dafür tun, indem wir als Team gut zusammenarbeiten und damit das Erreichen der Hoffnung wahrscheinlicher machen. Dennoch bleibt die Ambivalenz zwischen einer positiven Aussicht in der Zukunft und der Befürchtung, dass sich der Traum davon nicht erfüllen wird.

Während der Optimismus streng genommen lediglich einen positiven Blick auf die Zukunft wirft, indem er positive Fakten über- und negative unterbewertet, erfordert die Hoffnung einen utopischen Blick nach vorne. Was zuerst als Manko erscheint, könnte jedoch eine Chance sein, wenn die Unbestimmtheit der Zukunft als Freiheit verstanden wird, sich im Geiste eine bessere Welt frei von allen Erfahrungen vorzustellen. Dies wiederum scheinen wir verloren zu haben. Der Optimismus ist schnell bei der Hand, wenn es heißt: Immer positiv denken. Der Optimismus arbeitet jedoch mit dem Vorhandenen und kreiert nichts Neues. Erst die Hoffnung auf eine bessere Zukunft könnte wahrlich utopistisch etwas Neues erdenken, wenn wir uns davon frei machen, der Naivität bezichtigt zu werden. Denn das schwingt heutzutage meistens mit, wenn von Hoffnungen die Rede ist. „Spinn’ nicht herum“, heißt es bereits bei kleinen Kindern. Politiker*innen sollten Realpolitik machen. Und der Rest der Welt sollte sich an den vorhandenen Bedingungen orientieren und keine Luftschlösser bauen: „Es gibt nun mal keine Ressourcen! Woher nehmen, wenn nicht stehlen?“

Dabei wusste bereits Kant, dass wir in zwei Welten leben, einer realen und einer ideellen. Ernst Bloch meinte daher, dass Hoffnungen immer auch ein Stück Realitätsverweigerung sind, um eine noch nicht vorhandene Welt zu erschaffen. Utopien bestehen laut Bloch aus einem „In-Möglichkeit-Seienden“, was im Kern bereits angelegt ist. Es geht ergo nicht darum, sich vollkommen unrealistische Hoffnungen zu machen. Diese würden nur enttäuscht werden. Stattdessen sollten wir darauf achten, was wir bereits jetzt tun können, damit utopische Ideen Wirklichkeit werden können.

Um Hoffnung zu haben und schwierige Situationen durchzuhalten, braucht es u.a. folgende Tugenden:

  • Offenheit für ungewöhnliche Lösungen
  • Bereitschaft, sich mit anderen auszutauschen
  • Energie, Ausdauer und Beharrlichkeit
  • Die Demut und Bescheidenheit, mit kleinen Lösungen zufrieden zu sein
  • Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst
  • Selbstbeherrschung und Geduld
  • Dankbarkeit trotz allem
  • Humor oder sogar Galgenhumor
  • Spiritualität, Religiösität

Andererseits führen zu konkrete Hoffnungen ebenfalls zu Enttäuschungen. Hoffen wir nach einer Krankheit auf eine schnelle Genesung oder darauf, wieder vollkommen hergestellt zu sein, wird dies vermutlich scheitern. Hoffen wir jedoch darauf, eines Tages wieder ein gutes Leben führen zu können – auch mit der Krankheit – bleibt dies vage genug, um nicht enttäuscht zu werden und ist dennoch motivierend genug, um die Verzweiflung hinter sich zu lassen.

Haben wir bspw. die Hoffnung einer autofreien Stadt in der Zukunft, könnte das eines Tages durch Postboten-Drohnen oder fliegende Autos durchaus Wirklichkeit werden. Dazu braucht es jedoch eine Menge Forschung und eine gute Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Forschungsgebieten (Technik, IT, Jura, Sozialwissenschaften, etc.). Gleichzeitig bleibt unklar, wie genau die autofreie Stadt der Zukunft aussehen wird. Ähnlich ergeht es Teams in Unternehmen. Einem unterbesetzten Team wird es kaum ausreichen, die Hoffnung zu haben, dass es eines Tages wieder besser wird. Das Team braucht eine tragfähige und motivierende Vision, die neben einer guten, menschlichen Zusammenarbeit vermutlich die Dunkelverarbeitung durch K.I., eine andere Aufgabenunterteilung und weniger Bürokratie mit einschließt. Wie genau die Utopie in der Zukunft aussehen und wann genau sie kommen wird bleibt unklar. Sonst wäre es keine Utopie. Ohne Utopien sind Dauerbelastungen jedoch kaum auszuhalten. Stattdessen werden über kurz oder lang die Besten gehen, die Schwächsten krank werden und der Laden alsbald zusammen brechen.

Literatur: Kraft und Walker: Positive Psychologie der Hoffnung. Springer, 2018

10 Erkenntnisse über Verbundenheit

  1. Solidarität gleicht Handicaps aus: Vor 20 Millionen Jahren hatten Schimpansen, Bonobos und Gorillas gegenüber ihren Vorfahren einen großen Nachteil: Ihnen fehlten scharfe Eckzähne und Klauen als körperliche Werkzeuge zur Verteidigung gegenüber Feinden. Dieses Handicap machte den sozialen Zusammenhalt untereinander notwendig.
  2. Altruismus ist natürlicher als Egoismus: Anderen zu helfen ist natürlicher als uns gegen andere durchzusetzen. Dies zeigt sich alleine schon an diversen Studien mit Kleinkindern, die nicht lange nachdenken, ob sie einem hilfsbedürftigen Forscher helfen wollen oder nicht. Wer anderen nicht hilft, ist dazu aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage. Entweder er fühlt sich zu schwach. Oder er lebt in einem sehr individualistischen System, in dem Helfen als nicht sinnvoll erachtet wird, weil die Menschen sich selbst aus ihrem Elend befreien sollten. Oder aber er wurde traumatisiert. Ein Beispiel dafür sind Migranten, die besonders laut gegen nachziehende Migranten wettern. Sie haben es geschafft, wissen jedoch, wie schwer es war. Beobachten sie nun Neuankömmlinge fällt es ihnen schwer, sich in deren Lage zu versetzen, ohne retraumatisiert zu werden.
  3. Verbundenheit entsteht durch Ziele: Menschen in einem Bus sind idR. nicht miteinander verbunden. Erst durch einen Ausflug oder einen Unfall entsteht Verbundenheit durch ein gemeinsames Ziel und gegenseitige Abhängigkeiten.
  4. Disstress + Definition einer guten versus schlechten Gruppe = Tribalismus: Stress führt nicht automatisch zu Egoismus. Meist führt Stress dazu, sich gegenseitig zu helfen. Erst die Unterscheidung zwischen guten und schlechten Subgruppen fördert Spaltungen und selektiven Altruismus. Umso wichtiger sind in Organisationen mit mehreren Subgruppen Organisationsziele, die auch die Subgruppen miteinander verbinden.
  5. Dauerhafte Verbindungen lassen Gehirnzellen wachsen: Bei Paaren fördert Monogamie die Entwicklung des Gehirns, sofern sie sich im Rahmen ihrer gegenseitigen Abhängigkeit stetigen Anpassungsprozessen aussetzen. Sie achten dann darauf, wie es ihrem Gegenüber geht, passen sich an und lernen voneinander. Bei Polygamie entwickelt sich das Gehirn (meistens) weniger stark, weil bei Schwierigkeiten Partner*innen schneller gewechselt werden. Dadurch finden weniger Anpassungsprozesse und ein gegenseitiges Lernen statt. Stattdessen orientiert sich der Mensch stärker an seinen eigenen, bereits vorhandenen Eigenschaften, Vorlieben und Kommunikationsmustern.
  6. Kleine Gruppen ermöglichen individuellere Verbindungen: In kleinen Gruppen werden Menschen stärker als Individuen wahrgenommen. Je größer die Gruppe ist, desto wichtiger werden Abgrenzungen durch Geschlecht, Meinungen, Eigenschaften, Fähigkeiten oder Auftreten.
  7. Stufen der Empathie: Es gibt drei Stufen der Empathie: Mitgefühl, Besorgnis und Perspektivenübernahme.
  8. Wer zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, ist unempathisch: Wir helfen anderen Menschen, wenn wir deren Emotionen in einer belastenden Situation nachempfinden können (Mitgefühl). Stellen wir uns jedoch vor, wie es uns selbst in dieser Situation ginge, hindert uns das an einer Hilfe. Wir sind dann zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Der Satz „Wie würde es dir gehen, wenn du an meiner Stelle wärst?“ könnte daher kontraproduktiv sein. Sinnvoller wäre: „Kannst du dir vorstellen, was ich dabei empfinde?“ (Mitgefühl) oder „Versuch bitte die Situation mit meinen Augen zu sehen.“ (Perspektivenübernahme)
  9. Synchronisierte Gehirne: Arbeiten Menschen an etwas Gemeinsamem, synchronisieren sich ihre Gehirne. Das gleiche gilt für gemeinsames Meditieren. Oder wenn sie als Paar bezeichnet werden, selbst wenn sie noch kein Paar sind.
  10. Verbindungen fördern mit Gesprächsstoff: Neben den üblichen Möglichkeiten Verbindungen zu fördern (Austausch, gemeinsame Aktivitäten), gibt es in Organisationen die Variante, für Gesprächsstoff zu sorgen, indem jemandem im Team heimlich ein Geschenk gemacht wird, einmal im Monat für das gesamte Team von einem unbekannten, guten Geist Brezeln hingestellt werden, jemand eine Dankbarkeitskarte ohne Absender bekommt oder derselbe Geist am Kaffeeautomaten für die nächste Person bezahlt und eine Karte hinterlässt, auf der steht: „Ihr Getränk wurde bereits bezahlt. Es wäre schön, wenn Sie für die nächste Person bezahlen würden, um diese Nettikette nicht abreißen zu lassen. Danke“

Damit ließe sich Verbundenheit auf folgende Formel reduzieren:
Verbundenheit = Gemeinsames (positives oder negatives) Ziel + Abhängigkeiten (Kompetenzen, Erfahrungen, Wissen, Rollen, Verantwortungsteilung, Tugenden) + Raum und Zeit für Austausch – Persönliche Traumatisierungen

Literatur: Lynne McTaggart: The Bond – Über die Wissenschaft der Verbundenheit (2017)