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Zum Umgang mit schwierigem Mitarbeiter-Verhalten

Vorsicht vor Wirklichkeitskonstruktionen

Studien belegen, dass Führungskräfte überproportional viel Zeit in die Lösung von Konflikten investieren. Dabei wird deutlich: Die kleinen Alltagsprobleme aufgrund von Stress sind es nicht, die Führungskräfte so viel Energie kosten, sondern die Beschäftigung mit dauerhaften, schwer zu lösenden Konflikten. Selbst wenn diese nicht allzu häufig vorkommen, kosten sie doch eine Menge Zeit und Nerven, insbesondere, wenn wir nicht nur die Durchführung der Konfliktklärungsgespräche, sondern auch die Vorbereitung und ständige geistige Beschäftigung mit dem Konflikt berücksichtigen. Von der bremsenden Energie im gesamten Team ganz zu schweigen. Und schließlich kann eine übertriebene Beschäftigung mit einem Konflikt Probleme sogar verstärken, weil dadurch im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung Wirklichkeiten konstruiert werden.

Im Zentrum dieser Thematik steht idR. ein schwieriges Mitarbeiterverhalten, das es schon immer gab, deren Auftreten jedoch nach meinen Seminar-Erfahrungen anscheinend zunimmt. Vielleicht, weil der Egoismus zunimmt, die Bindungsfähigkeit und das Aushalten anderer Meinungen abnimmt und die Unzufriedenheit vieler mit ihrem Leben im Allgemeinen zunimmt: „So vielen geht es besser. Nur mir nicht!“ Die Zunahme des Stresses am Arbeitsplatz durch Arbeitsverdichtung, Personalmangel, Ungewissheiten und der Gefahr biographischer Brüche tut das Übrige, um einen jahrelang vor sich hin brodelnden Vulkan zur Explosion zu bringen.

Was Sie stattdessen tun können …

  1. Die Biographie Ihrer Mitarbeiter kennen(lernen): Zu wissen, was hinter einem schwierigen Verhalten steht, welche Geschichte jemand mitbringt und welche Beweggründe jemand hat, ist hilfreich, um offener damit umzugehen und Verständnis dafür aufzubringen. Hat jemand beispielsweise den Glaubenssatz abgespeichert, dass er nur Gehört findet, wenn er laut ist, erscheint sein lautes Poltern gegen Veränderungen in einem anderen Licht.
  2. Die Auswirkungen von Stress kennen und Bedingungen für Normalität fördern: Viele Mitarbeiter*innen machen in normalen Zeiten einen guten Job und überreagieren erst unter Stress. Das jedoch gilt es wahrzunehmen und wertzuschätzen. Lernen Sie diese Bedingungen der Normalphasen kennen und reflektieren Sie darüber, was Sie tun können, um Stress zu reduzieren oder die Normalphasen auszudehnen. Es könnte bspw. sein, dass ein Mitarbeiter sich wie ein Maulwurf in seinem Bau (hinter seinem Computer) versteckt, wenn er etwas gefragt. In seinem „Bau“ agiert er jedoch hochproduktiv.
  3. Teammitglieder entsprechend der Projektphasen einbinden: In jeder Projektphase sind andere Fähigkeiten der Teammitglieder wichtig. Zu Beginn sind versponnene, kreative Ideen wichtig, während später Kritik angebracht ist. Fragen Sie die Kompetenzen Ihrer Teammitglieder entsprechend der Projektphasen an, um sie gezielt(er) zu nutzen, zu kanalisieren und schwierigen Mitarbeitern so das Signal zu geben, dass sie wertvolle Teammitglieder sind, sofern sie lernen, ihre Eigenarten zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen.
  4. Offizielle und geheime Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen erkennen und ansprechen: Jeder Mensch verfügt über offizielle und geheime Seiten. Ein Perfektionist könnte beispielsweise den Wunsch haben, viele Dinge auszuprobieren, traut sich jedoch nicht, weil er Angst vor Fehlern hat. Daher geht er den vermeintlich einfacheren Weg, indem er das, was er kann bis zum letzten Komma umsetzt. Er befindet sich damit auf einem Feld hoher Sicherheit, wünscht sich Wirklichkeit jedoch etwas anderes, bspw. Anerkennung, auch wenn er keine Leistung liefert. Wird er auf seine geheimen Bedürfnisse angesprochen, wird er dies vermutlich leugnen. Seine Fähigkeiten der Zuverlässigkeit ausschließlich anzusprechen, liegt nahe, zementiert jedoch sein ohnehin vorhandenes Muster der Perfektion. Daher ist es wichtig, beides anzusprechen, denn: „Wer so zuverlässig ist, sollte es sich gönnen, in einem kleinen Rahmen etwas ausprobieren, um auch darin – nach und nach – zuverlässiger zu werden. Und grundsätzlich ist jeder Mensch wertvoll, nicht nur wenn er Leistung bringt.“
  5. Kollateralschäden verhindern: Lernen Sie abzuschätzen, wann Sie bei einem schwierigen Mitarbeiter-Verhalten eingreifen sollten und welche Möglichkeiten Sie dafür haben, mit Unzufriedenheiten umzugehen, bevor sich die Unstimmigkeiten auf das Gesamtteam auswirken. Dies muss nicht immer in Separierungen enden, sondern kann das Ziel anstreben, auf einer professionellen Ebene miteinander auszukommen, wenn geklärt wurde, dass Sympathie in der Arbeit nicht immer vorhanden sein muss.
  6. Eigene Schattenanteile erkennen: Erkennen Sie, warum genau dieses Verhalten Sie so sehr nervt und was dies mit Ihnen zu tun hat. Zeigt ein Mitarbeiter ein Verhalten, das Sie von sich selbst kennen, jedoch nicht mögen oder das Sie sich in Ihrer Position als Führungskraft nicht erlauben. Zeigt er oder sie zum Beispiel ein Leiden, Migräneattacken oder Grantigkeit und klagt damit eine Bedürftigkeit ein, kann das besonders ärgerlich sein, wenn Sie eigene Bedürfnisse häufig unterdrücken, um ein gutes Vorbild zu sein.
  7. Erkennen, wer im Falle eines „Angriffs“ das Ursprungsproblem hat: Lernen Sie zu erkennen, was an der Kritik oder einem Angriff eines unzufriedenen Mitarbeiters Ihr Problem ist und was nicht. Der „Angriff“ eines Nörglers „Das haben wir ja noch nie so gemacht“ ist zuallererst sein Problem und nicht Ihres. Nur wenn Sie diesen „Angriff“ nicht zu Ihrem machen, bewahren Sie sich vor einer Verteidigungshaltung und können in Folge den tieferen Kern der Unzufriedenheit des Nörglers klärend erfragen. Die Frage des Problemeigentums entscheidet auch darüber, welche Interventionsmöglichkeiten Sie anwenden sollten: Während Sie sich bei einem Frontalangriff mit der Gefahr nachhaltiger Kollateralschäden schützen bzw. Ihr Gegenüber in seine Grenzen verweisen sollten, ist es bei einer tiefgreifenden Unzufriedenheit Ihres Gegenübers sinnvoller, dieser fragend auf den Grund zu gehen, ohne sich zu verteidigen. Am Ende des Tages haben in der Regel beide, sowohl der Problemeigentümer als auch sein Gegenüber eine Verantwortung, das Ursprungsproblem gemeinsam zu lösen.
  8. Die Grenze der eigenen Handlungsfähigkeit erkennen und verdeutlichen: Bestimmen Sie für die Grenzen Ihrer Handlungsfähigkeit, der Machbarkeit, Ihrer Verantwortung und des Selbstschutzes. Denken Sie daran: Sie sind nicht nur für einzelne schwierige Teammitglieder zuständig, sondern für das gesamte Team. Zudem gibt es „Fälle“, die beim Therapeuten besser aufgehoben sind als bei Ihnen als Führungskraft. Persönliche Grenzziehungen beginnen damit, die Beratungszeit für ein besonders bedürftiges Teammitglied auf einen bestimmten Zeitraum zu begrenzen, beispielsweise eine persönliche Besprechung der positiven und negativen Vorkommnisse einmal pro Woche jeweils eine halbe Stunde lang. Sie setzen sich fort, indem Sie besonders redefreudigen Kollegen eine begrenzte Redezeit verordnen und enden damit, eine lange Phase intensiver Bemühung nicht frustriert, sondern offiziell nach rechtzeitiger Ankündigung und Absprache mit dem schwierigen Teammitglied zu beenden. Die Zusammenarbeit läuft freilich weiter, allerdings nur auf einer Ebene der reinen Notwendigkeiten. Dies schafft Raum für eine Entfaszination voneinander und ermöglicht oftmals einen Neuanfang.