
Von allen Anfragen für eine Konfliktbearbeitung, die ich bekomme, münden etwa 30% tatsächlich in eine Mediation. Die Gründe für die Absage der anderen sind unterschiedlich. Mal willigt der nicht-anrufende Konfliktpartner nur in eine Mediation ein, wenn am Ende dabei heraus kommt, dass seine Frau wieder zu ihm zurück kommt. Ein andermal werden innerbetriebliche Tatsachen durch eine Versetzung oder Kündigung geschaffen, bevor es zu einer versöhnenden Aussprache kommt.
Diffuse versus konkrete Ängste
Dabei spielen offensichtlich diffuse Ängste eine Rolle. Während konkrete Ängste uns stark und sofort aktivieren, aktivieren uns diffuse Ängste nur leicht, dafür jedoch dauerhaft. Sie lassen sich zwar verdrängen und auf die lange Bank schieben, wirken sich jedoch dauerhaft belastend auf unsere Psyche und unseren Organismus aus. Konkrete Ängste dienen unserem Überleben. Wer keinen Respekt vor Autos hat, lebt vermutlich nicht sehr lange. Diffuse Ängste wiederum sind nur bedingt sinnvoll. Es ist sicherlich hilfreich, über ein Frühwarnsystem zu verfügen, um soziale Fettnäpfchen zu vermeiden. Wer es damit jedoch übertreibt, macht sich sein Leben schwerer als es sein müsste.
Jeder Konflikttyp hat seine eigene Angst
Um zu ergründen, warum Menschen Konflikte und damit auch eine Aussprache oder Mediation scheuen, ist es erhellend, sich die Ängste der 5 Konflikttypen nach Thomas Kilmann anzusehen, auch wenn die Grenzen zwischen den Typen wie immer fließend sind. Eine umfangreiche Beschreibung der Typen erspare ich mir, da diese reichhaltig im Internet zu finden sind, bspw. hier.
Welche Ängste haben also die verschiedenen Typen?
Konfliktstil | Diffuse Angst |
Durchsetzen | „Mediation heißt ja wohl ‘sich zurück halten und ausreden lassen‘. Ich weiß ja, dass mir das schwer fällt. Und am Ende bin ich wieder der Böse, der eine Einigung verhindert oder andere kränkt.“ |
Vermeiden | „So schlimm ist das Ganze doch gar nicht. Schlimmer wäre es, wenn am Ende alles auf den Tisch kommt, was ich seit Jahren versuche, unter dem Teppich zu halten. Ich weiß nicht, ob ich das aushalte. Lieber lebe/arbeite ich mit jemandem zusammen, der schwierig ist, als die Beziehung komplett zu riskieren. „ |
Nachgeben | „Ich kenne doch meinen Kollegen. Der kann sich gut darstellen und ich bekomme vor lauter Aufregung keinen Ton heraus. Durchsetzen kann mich sowieso nicht. Und wenn doch werde ich noch für undankbar gehalten. Schließlich habe ich bislang nie was gesagt.“ |
Gemeinsam eine Lösung finden | „Was, wenn wir keine Lösungen finden, weil die Situation schon so verfahren ist? Dann bleibe ich lieber bei meinem idealistischen Wunschbild.“ |
Unvereinbares aushalten und nach Kompromissen suchen | „Ich wäre ja bereit für einen Kompromiss. Mir ist auch bewusst, dass ich Abstriche von meinen Idealvorstellungen machen muss. Aber was, wenn mein Gegenüber nicht mit zieht?“ |
Typische Ängste betreffen also mögliche Kränkungen, eine mögliche Ablehnung, mangelnde Wehrhaftigkeit, ein drohender Beziehungsverlust oder der Abstand von den eigenen hohen Idealen.
Was sollte daher aus Sicht dieser Ängste eine erfolgreiche Mediation leisten:
- Themenreife: Es wird nicht von Beginn an über die Dinge gesprochen, die am meisten schmerzhaft sind, sondern erst wenn die Zeit reif dafür ist.
- Fairness: Jede/r bekommt genügend Raum und Zeit, um seine Anliegen und Sichtweisen vorzubringen.
- Respektvolles Streiten: Es geht nicht darum, einen Kuschelkurs zu fahren, sondern darum, respektvoll streiten zu lernen.
- Vernunft statt Moral: Es gibt kein gut oder böse. Stattdessen sind Kategorien wie „hilfreich“, „sinnvoll“, „wichtig“, „vernünftig“ oder „prozessfördernd“ wesentlich zielführender.
- Ideale Kompromisse: Große Ideale können tatsächlich eine Versöhnung verhindern. Aber bestenfalls finden zwei (oder mehr) Menschen gemeinsam ein neues Idealmodell.
Logischerweise ist eine Aussöhnung mit einem Konfliktpartner der beste Weg zur Einigung. Sollte dies jedoch aus verschiedenen Gründen schwierig sein, bietet sich als Alternative immer noch ein Konflikt-Coaching an.